Gesichter der Region
Der Wandel der einst grauen Chemieregion hin zu einem fortschrittlichen Industriestandort und attraktiven Lebensumfeld sowie die Menschen in der Region rücken im Festjahr in den Fokus.
Im Rahmen der Porträtreihe „Gesichter der Region“ werden auf dieser Webseite, in einem Dokumentarfilm und einem Jahrbuch Persönlichkeiten aus der Region vorgestellt. Menschen, die hier zuhause sind, täglich zur Arbeit in den Chemiepark pendeln, seit Jahrzehnten einem Betrieb angehören oder zukünftig hier arbeiten wollen. In spannenden Geschichten, Berichten von Zeitzeugen sowie Anekdoten erfahren wir, was sie machen, wofür sie sich engagieren und was sie an ihrer Heimat schätzen.
Doris Kambach – Leiterin Buchhaltung Chemiepark Bitterfeld-Wolfen GmbH
„Ich habe großes Glück gehabt, so lange hier am Standort des Chemieparks arbeiten zu können.“
Seit mehr als 40 Arbeitsjahren ist Doris Kambach mit der Chemieregion tief verwurzelt, hat Eigentümer, Investoren und Manager kommen und gehen sehen. Heute ist sie die Leiterin der Buchhaltung bei der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen GmbH.
Aus Holzweißig stammend, legte sie zunächst in Bitterfeld ihr Abitur ab. Gleich danach begann sie an der Karl-Marx-Universität in Leipzig Mathematik zu studieren. Ungewöhnlich für eine junge Frau, auch damals. „Ich mochte es, Probleme zu lösen“, sagt sie rückblickend zur Wahl dieses Studienfaches.
Fast hätte sie ein Arbeitsangebot aus Greifswald angenommen. Doch eine Erkrankung verhinderte, dass sie ihre Abschlussprüfung ablegen konnte. So blieb sie in ihrer Heimat,
begann im Herbst 1977 im Rechenzentrum des Chemiekombinates zu arbeiten. Und während ihre Kollegen nach acht Stunden Arbeit den Feierabend genießen konnten, holte Doris Kambach Prüfung und Diplomarbeit nach. Mit Ehrgeiz und Disziplin.
Wenn sie sich heute an die riesigen Maschinen im damaligen Rechenzentrum erinnert, muss sie lächeln. Im Vier-Schicht-System hat sie gearbeitet, inklusive Wochenenden. Schon damals hat sie sich auch mit der Programmierung beschäftigt – ein Umstand, der sie mit der Wende zu einer unverzichtbaren Expertin machte. Denn sie war maßgeblich an der Einführung des SAP-Systems beteiligt, hat das Abrechenprogramm mit eingeführt. Es folgten turbulente Jahre für den Chemiestandort, die gescheiterte Erstprivatisierung, dann die Übernahme des Chemieparks durch Jürgen Preiss-Daimler. Hier wird sie zunächst Mitarbeiterin der Buchhaltung. Ihren Fähigkeiten entsprechend wird sie 2005 dann Leiterin. Die bleibt sie auch mit der Übernahme des Chemieparks durch die Gelsenwasser AG im Jahr 2013.
„Eigentlich hat sich in den Jahren immer nur der Name des Arbeitgebers geändert, meine buchhalterische Arbeit ist im Grunde gleich geblieben.“ Und so ist sie mehr als 40 Jahre lang die Fachfrau für Umsätze, Passiva, Gewinn- und Verlustrechnungen geblieben. Vielleicht ist diese Kontinuität auch ihrem Naturell zu verdanken: „Ich gehe an die meisten Sachen mit Ruhe heran, bin nur sehr selten aufbrausend.“
Ab Mai fällt nun ihr täglicher Arbeitsweg von Holzweißig nach Bitterfeld weg. Doris Kambach geht in den Ruhestand. So richtig vorstellen kann sie sich das noch nicht, aber Angst vor Langeweile hat sie nicht. Schließlich ist da ihr Haus, sind die zwei erwachsenen Kinder, sind da viele ungelesene Bücher. Und da ist ihre Reiselust. Die hat sie bereits nach Ägypten, Alaska und Irland geführt. Nun soll es weiter in die Ferne gehen. Australien und Neuseeland sind nur zwei ihrer Wunschziele.
Vorherige Portraits:


Stephanie Sitte – Ausbilderin in der Lehrwerkstatt des Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld e.V.
„Schon als Kind hat mich Technik fasziniert. Ich wollte immer genau wissen, wie ein elektronisches Gerät funktioniert und wie es von innen aussieht. Heute bin ich Elektronikerin für Betriebstechnik und bilde junge Leute im ersten Lehrjahr aus. Ich habe meine Leidenschaft zum Beruf gemacht!“
Drähte und Schaltkreise, Leuchten, Spulen, Schraubendreher, Zangen und Werkzeuge aller Art bilden die Kulisse für Stephanie Sittes Arbeitsplatz. In der Lehrwerkstatt des Bildungszentrums Wolfen-Bitterfeld e. V., mitten im Chemiepark, ist sie verantwortlich für zwölf Auszubildende im ersten Lehrjahr und erklärt dem Nachwuchs unter anderem wie man Grundschaltungen aufbaut. Aufmerksam hören die Lehrlinge, unter ihnen zwei Frauen, den Erläuterungen ihrer jungen Dozentin und Betreuerin zu. Als Mechatroniker, Elektroniker für Betriebstechnik oder Automatisierungstechnik wollen sie später in der Industrie arbeiten. Fachleute, die bei den hiesigen Unternehmen in den kommenden Jahren immer mehr gefragt sind.
Noch vor einem Jahr war Stephanie Sitte selbst Azubine bei der Firma POLIFILM – einem regionalen Hersteller für Polyethylen-Folien – und hat sich in der Lehrwerkstatt neben Theorie auch Praxiswissen angeeignet. Heute ist die 27-jährige Ausbilderin in einer Branche spezialisiert, in der Frauen eher selten zuhause sind. Stephanie Sitte macht das nichts aus: Tüfteln, Bauen, Experimentieren sind ihre Leidenschaft, seit der Kindheit. Heute ist es ihr Beruf. „Technik hat mich schon immer fasziniert. Ich wollte immer genau wissen, wie ein elektronisches Gerät funktioniert und wie es von innen aussieht“, erzählt sie.
In der Lehrwerkstatt gibt sie nun den Ton an, der bei den jungen Leuten gut ankommt. „Ich habe einen guten Draht zu meinen Lehrlingen, mir macht es Spaß mein Wissen weiterzugeben und mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten. Deshalb habe ich gleich im Anschluss an meine Lehre eine zusätzliche IHK-Qualifizierung als Ausbilderin absolviert“, sagt Stephanie Sitte. In der Ortschaft Hinsdorf, nur wenige Kilometer von ihrem Arbeitsplatz im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen entfernt ist, ist sie aufgewachsen. Schon immer war klar, dass die junge Mutter in der Region bleiben möchte. „Meine Familie und Freunde sind hier, mit dem Chemiepark vor der Haustür und den dort ansässigen Firmen hatte ich gute berufliche Aussichten“, sagte Stephanie Sitte. Ihre Ausbildung zur Meisterin ist das nächste Ziel, das sich die ehrgeizige junge Frau gesetzt hat, perspektivisch könne sie dann die Ausbildungsleitung übernehmen.
Für die Zukunft wünscht sie sich, dass noch mehr Frauen diese Branche für sich entdecken. Oft seien die fachlichen Leistungen von Frauen im Bereich Elektronik sogar besser als die der männlichen Kollegen. Handwerkliches Geschick, gute Mathekenntnisse, logisches Denken sind in diesem Ausbildungsberuf gefragt und natürlich Interesse für Technik. Im Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld bekommen Azubis ihre praktische Ausbildung im Auftrag von insgesamt rund 120 Firmen, die zum großen Teil im benachbarten Chemiepark angesiedelt. Mehr als 30 Berufe in verschiedenen Bereichen, u. a. Labor- und Prozesstechnik, Elektrotechnik, Metall- und Kunststofftechnik, Informations- und Medientechnik sowie Wirtschaft und Verwaltung werden angeboten.


Kristian Dietrich – Geschäftsführer des Gemeinschaftsklärwerks Bitterfeld-Wolfen
„Es macht mich stolz, wenn wir es mit unserer Kläranlage schaffen, das Abwasser aus Industrie und Kommune immer besser zu reinigen und damit einen wichtigen Beitrag für die Umwelt und die Region leisten. Wenn wir unseren Auftrag noch effizient, unter minimalem Einsatz von Ressourcen und mit Freude und Leidenschaft bei unseren Mitarbeitern hinbekommen, kann das sehr erfüllend sein.“
Es war im Frühjahr 2015 als Kristian Dietrich im schottischen Edinburgh das Angebot aus Bitterfeld-Wolfen erreichte. Das hiesige Klärwerk war auf der Suche nach einem neuen Geschäftsführer. Eine reizvolle Perspektive für den gebürtigen Sachsen-Anhalter, der seiner Heimat trotz vieler Jahre im Ausland immer verbunden war. „Der Wunsch nach Mitteldeutschland zurückzukehren war immer da. Es ist ein lebenswerter Ort, die Menschen haben einen guten Lebensstandard, es gibt eine durchaus anziehende Wald- und Seenlandschaft, die Familie lebt hier“, sagt der 39-Jährige, der von seinem Büro in der 4. Etage einen Panoramablick über die Anlagen des Werkes – ein Koloss aus großen weißen Behältern und Becken am Rande des Chemieparks – hat.
Seit Oktober 2015 lenkt er die Geschicke des Gemeinschaftsklärwerks Bitterfeld-Wolfen (GKW), damals an der Seite von Regina Egert, die das Unternehmen über viele Jahre führte. Mitte 2016 übernahm er den Staffelstab an der Spitze des GKW, das eine der modernsten Anlagen der Region betreibt. 77.000 m3 Abwasser werden am Tag über verschiedene Stufen geklärt. Kommunale und industrielle Abwässer sowie kontaminiertes Grundwasser werden in teils getrennten auf den jeweiligen Strom zugeschnittenen Prozessen geklärt – jedoch in einem Werk. Bemessen an der Einwohnerzahl beträgt die Reinigungskapazität 586.000 EW (Einwohnerwerte). Diese Kapazität wäre ausreichend für eine Großstadt wie Leipzig. Pro Jahr fließen ungefähr acht Millionen Kubikmeter gereinigtes Abwasser in die Mulde ab. Seit 2011 sind zusätzlich drei Anaerobreaktoren im Einsatz, die extrem salzhaltige Industriewasser effizient vorreinigen und energiereiches Biogas erzeugen. Eine eigene Klärschlammverbrennungsanlage stellt rund um die Uhr eine umweltgerechte Entsorgung des anfallenden Klärschlammes sicher.
Wer je in einem Klärwerk war, erwartet womöglich Gestank. Davon liegt hier nichts in der Luft. „Das liegt unter anderem an den Biohochreaktoren. Durch die spezielle Hochbauweise wird nicht nur der Gestank verringert, sie sind auch energetisch sehr ausgereift und gegenüber konventionellen Behandlungstechnologien platzsparend.“, erklärt Kristian Dietrich, der Umwelttechnik in Cottbus studierte und anschließend am Imperial College in London 2003 mit dem Master of Science abschloss. Seit 2012 war er im Bereich der kommunalen Abwasserbehandlung in Großbritannien tätig.
Seine Auslandserfahrung kommt ihm heute zugute, regelmäßig besuchen internationale Kunden, Delegationen und Fachpublikum das Klärwerk. „Wir verstehen uns als Dienstleister für alle Firmen am Standort und als Katalysator für Neuansiedlungen. Wir beraten Unternehmen, die sich hier im Chemiepark niederlassen wollen und suchen Lösungen für spezielle Abwasser“, meint der Kristian Dietrich. Insgesamt hat er die Verantwortung für derzeit 59 Mitarbeiter, darunter auch viele neue Gesichter. Erst in den letzten 6 Monaten haben acht neue Fachkräfte, darunter 2 AZUBIs, Elektroniker, Mechatroniker, ein Verfahrenstechniker, ein Laborleiter und eine QHSE Koordinatorin, ihre Arbeit im GKW aufgenommen.
Beim Blick in die Zukunft ist der junge Geschäftsführer optimistisch. Das Klärwerk ist gut aufgestellt, die Auslastung liegt derzeit bei über 95 Prozent. Die Modernisierung von Geschäftsprozessen und neue Ansätze für das Instandhaltungsmanagement sind Aufgaben, denen sich der begeisterte Freizeitläufer in den kommenden Jahren stellt.


Jens Piotraschke – Betriebsstättenleiter bei Evonik
„Ich halte den Chemiepark Bitterfeld-Wolfen für einen der Schönsten in ganz Deutschland. Er ist großzügig und offen angelegt, hat zwischen all den Unternehmen zudem viel Grün.“
Niemals wolle er hier arbeiten, hatte sich Jens Piotraschke geschworen, als er 1988 im Rahmen seines Studiums eine Exkursion nach Bitterfeld unternehmen musste. „Ich war geschockt, hatte eine derartige Verschmutzung und so viel grau noch nie zuvor gesehen.“
Doch es kam anders, wie so oft im Leben. Die graue dreckige Stadt hat sich gewandelt wie keine andere in den neuen Bundesländern. Und Jens Piotraschke ist beruflich genau dort erfolgreich, wo er ursprünglich nie hin wollte. Seit sieben Jahren ist der 51-jährige Betriebsstättenleiter bei Evonik, mitten im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen. Und der hat so gar nichts mehr gemein mit der Chemieregion von damals. „Die Chemie ist extrem sauber geworden.“
In Coswig bei Dresden geboren begeisterte sich Jens Piotraschke, im Gegensatz zu vielen seiner Klassenkameraden, schon früh für Chemie. “Ich habe als Kind einen Chemiebaukasten geschenkt bekommen. Das Experimentieren hat mich total begeistert.“ Die Begeisterung blieb, erlosch auch während des Abiturs und der anschließenden Armeezeit nicht. So begann er 1987 an der damaligen Karl-Marx Universität in Leipzig sein Chemiestudium. Trotz turbulenter Umbruchsjahre an der Uni hielt er 1992 sein Diplom in der Hand. Jens Piotraschke blieb an der Uni, promovierte zum Doktor der Naturwissenschaften.
Seine berufliche Karriere begann er dann in einem mittelständischen Unternehmen der Lackindustrie in Sachsen und einem in der Schweiz. Anfangs sei das eine große Umstellung für ihn gewesen, vom Unibetrieb rein in die Privatwirtschaft. Doch die Herstellung von Lacken, bei der unterschiedlichste Komponenten zusammengeführt werden müssen, forderte sein kreatives Denken. Zehn Jahre lang blieb er in den Unternehmen der Lackindustrie. 2010 folgte dann der Wechsel zu Evonik; ein Jahr später übernahm er die Leitung der Bitterfelder Betriebsstätte. Die ist Teil eines weltweiten Netzwerkes. Evonik ist in über 100 Ländern vertreten, beschäftigt rund 35.000 Mitarbeiter.
45 Mitarbeiter gehören in Bitterfeld zum Team von Jens Piotraschke. Der setzt in seiner Betriebsführung vor allem auf ein faires Miteinander. „Bei uns kennt jeder jeden, das ist auch ein Stück weit familiär. Vor allem die Kommunikation untereinander halte ich für einen wichtigen Aspekt erfolgreicher Arbeit.“
Evonik produziert in seinem Bitterfelder Werk Chlorsilane, die zur Herstellung von Lichtwellenleitern verwendet werden. Das sind lange dünne Fasern aus Glas, die in Glasfaserkabeln gebündelt sind, mit deren Hilfe Daten übertragen werden. Schnelles Surfen im Internet, Telefonieren, Fernsehen gucken, all das wäre in der heutigen Qualität ohne Lichtwellenleiter nicht möglich. Evonik gehört mit seinen Chlorsilanen zum Stoffverbund des Chemieparks, liefert den flüssigen Stoff über Rohrleitungen auch zur wenige hundert Meter entfernten Firma Heraeus Quarzglas, die mit diesem Material dann das Vorprodukt für die Lichtwellenleiter herstellt.
Dank des weltweiten Internetbooms und der stetig steigenden Nachfrage nach Glasfasern blickt Evonik selbstbewusst und optimistisch in die Zukunft. Die vor rund 20 Jahren erbaute Anlage läuft rund um die Uhr. Die Mitarbeiter arbeiten im Vierschichtsystem. Wenn Jens Piotraschke nicht am Schreibtisch sitzt oder in der Anlage unterwegs ist, dann genießt er das besonders Ambiente an der Goitzsche. „Ich bin immer wieder begeistert, wenn ich sehe, was sich hier in den zurückliegenden Jahren alles getan hat.“ Meist ist er joggend unterwegs. Allein. Denn seine Familie ist im sächsischen Coswig geblieben, kein Problem für den Vater einer inzwischen erwachsenen Tochter.
Für die geistige Fitness spielt der 51-jährige in seinem Heimatort Schach. Hier seien vor allem strategisches und langfristiges Denken gefragt, Eigenschaften, die ihm auch als Betriebsstättenleiter nützlich sind. „Zudem fasziniert mich noch immer die Unendlichkeit der Möglichkeiten des Schachs. Man macht immer wieder neue Fehler und lernt dazu.“ Diese Art, Dinge neu zu denken und strategisch an etwas heran zu gehen, ist es auch, wo sich der private und berufliche Kreis des Jens Piotraschke schließen.


Dr. Carsten Schellenberg – Geschäftsführer der IAB Ionenaustauscher GmbH
„„Die Vorstellung, mit unseren Anlagen hier im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen dafür zu sorgen, dass es überall auf der Welt sauberes Wasser gibt, ist für mich einfach phantastisch.“
Quasi jeden Tag hängt Dr. Carsten Schellenberg seinen Anzug an den Haken, streift die Arbeitsmontur über und macht sich auf den Weg in die Produktionsanlagen. Als Geschäftsführer der IAB Ionenaustauscher GmbH, einer hundertprozentigen Tochter des Kölner Spezialchemie-Konzerns LANXESS, möchte er wissen, was „draußen“ in seinen Betrieben los ist. „Mir ist es unheimlich wichtig, mit den Leuten zu reden, direkten Kontakt zu unseren Mitarbeitern zu haben. Zudem möchte ich natürlich auch bei allen technischen Neuerungen und Änderungen am Ball bleiben.“
Die Geschichte seines Geschäftes, der Ionenaustauscherproduktion, begann bereits in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Wolfen. Weltbekannt wurden die kleinen Polymerkügelchen, mit denen unerwünschte Stoffe aus Wasser entfernt werden können, unter dem Markennamen „Wofatit“ zu DDR-Zeiten. Die alten Anlagen wichen schließlich einer neuen, modernen Produktionsstätte, die 1999 eingeweiht wurde. Die Ionenaustauscher-Harze firmieren heute unter dem Markennamen „Lewatit“, der auch groß am Produktionsgebäude zu lesen ist. Das Besondere: in Bitterfeld werden monodisperse Harze produziert. Das heißt, die Harzperlen haben alle die gleiche Größe. Dies erfordert eine ganz spezielle Technologie. Das Bitterfelder Werk ist eines der wenigen weltweit, das diese Technologie beherrscht. „Nur eines unserer Alleinstellungsmerkmale“, sagt Schellenberg schmunzelnd.
Ihre Anwendung finden die kleinen Perlen unter anderem in Geschirrspülmaschinen, um beispielweise Ionen, die für einen hohen Härtegrad des Wassers, sprich Kalk, verantwortlich sind, zu entfernen. Doch das ist inzwischen nicht mehr das einzige Geschäftsfeld von LANXESS in Bitterfeld:
Im Jahr 2010 wurde mit dem Bau einer zweiten Anlage begonnen, die ein Jahr später ihre Produktion aufnahm. Hier entstehen seitdem Membranfiltrationselemente der Marke „Lewabrane“, die ebenfalls bei der Wasseraufbereitung zum Einsatz kommen. Kern des Prozesses ist das Prinzip der Umkehrosmose, Die in Bitterfeld hergestellten Membranfilterelemente werden unter anderem zur Trinkwasseraufbereitung aus Meerwasser, sprich zur Entsalzung, eingesetzt, sind beispielsweise aber auch in zahlreichen Kraftwerken im Einsatz. Auch in der Mikrochip-Industrie, in der hochreines Wasser benötigt wird, sind die Bitterfelder Elemente sehr gefragt.
Am Bitterfelder Standort sorgt Geschäftsführer Schellenberg mit rund 160 Mitarbeitern für einen reibungslosen Ablauf in den beiden Anlagen, die im Vier-Schicht-System rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr, laufen.
Im sächsischen Döbeln geboren, besuchte Carsten Schellenberg in Leipzig ein Gymnasium mit mathematischer und naturwissenschaftlicher Ausrichtung. Es folgte das Studium der Chemie an der Universität in Marburg und die Promotion am Max-Planck-Institut. Die ersten Berufsjahre führten ihn zunächst in die Schweiz, dann folgte ein anderthalbjähriger Aufenthalt in Japan. Im Land der aufgehenden Sonne wurde auch seine inzwischen elfjährige Tochter geboren.
„Die Zeit in Asien hat meinen Horizont sehr erweitert. Die Japaner sind sehr disziplinierte Menschen, das hat mir gut gefallen“, resümiert Schellenberg. 2006 kam dann die Rückkehr nach Deutschland. Bei der BASF in Ludwigshafen fand er eine neue berufliche Herausforderung. Im Jahr 2012 zog die Familie zurück in die sächsische Heimat – nach Leipzig. Chemiker Schellenberg beginnt in Bitterfeld als Laborleiter bei der IAB Ionenaustauscher GmbH und widmet sich Forschungsaufgaben. 2016 wird er Geschäftsführer sowie Forschungs- und Entwicklungsleiter bei der LANXESS-Tochter. Eine Aufgabe, die ihn angesichts der weltweiten Abwasser- und Trinkwasserproblematik, die es zu lösen gilt, Tag für Tag aufs Neue reizt.
Auch wenn für Carsten Schellenberg Acht-Stunden-Tage eher zur Seltenheit gehören, ist ihm die Zeit mit seiner Familie sehr wichtig. „Wir sind Camping-Fans, genießen das Leben in der Natur, an der Ostsee ebenso wie im Fläming.“ Und noch etwas zeichnet den 45-Jährigen aus: „Ich lache gern und bin an 99 Prozent aller Tage positiv eingestellt.“ Eine Eigenschaft, über die sich sicherlich auch sein Team tagtäglich freut.


Elvira Lieder – geschäftsführende Gesellschafterin der AbS Lieder GmbH
„„Wir sind es gewohnt, unsere Arbeit zu machen, und sie auch gut zu machen.“
Friederike ist schuld am Gerüst, dass das Hauptgebäude der AbS Lieder GmbH in Wolfen umschließt. Der Sturm hat das Dach im Januar 2018 einfach umgeklappt. Aber der Umgang mit unerwarteten Ereignissen ist für Elvira Lieder, Chefin des mittelständischen Unternehmens für Arbeits- und Brandschutz, nichts Ungewohntes.
Im Gegenteil. „Stellt sich ein Problem, überlege ich mir Lösungswege, wäge alle Argumente pro und contra ab und dann entscheide ich“, erklärt die 65-Jährige. So wie jetzt beim Dach oder vor einigen Monaten, als es darum ging, neben dem immer gut besuchten Verkaufsraum ein ruhiges Büro für die Mitarbeiterinnen einzurichten, die die Aufträge bearbeiten.
Geboren in Jessnitz hat Elvira Lieder in der Filmfabrik Wolfen Chemiefacharbeiterin gelernt, ist dann den kaufmännischen Berufsweg gegangen und hat in der Abteilung Absatz für die banktechnischen Abwicklungen von „Westgeschäften“ gesorgt. Nebenher arbeitete sie für Versicherungen, ist dann ab 1994 voll in die Buchhaltung des Unternehmens ihres Mannes eingestiegen.
Nur eine Nacht des Nachdenkens hat sie die Entscheidung gekostet, die Firma weiterzuführen, als ihr Mann 2002 plötzlich verstarb. Er hatte das Unternehmen 1992 gegründet und es erfolgreich gemacht. „Weiterzumachen war das einzig richtige“, so Elvira Lieder. Allein schon, um die Arbeitsplätze der Beschäftigten zu erhalten, die eine große Aktie am Unternehmenserfolg haben.
AbS Lieder ist heute ein renommierter Komplettdienstleister für Arbeits- und Brandschutz mit 30 Beschäftigten und mit Niederlassungen in Dessau und Merseburg. Man arbeitet mit namhaften Herstellern und Importeuren deutschlandweit zusammen, betreut viele Firmenkunden im Chemiedreieck und darüber hinaus.
„Neben Verkauf, Verleih sowie den gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen und Wartungen von persönlichen Schutzausrüstungen, Atemmasken, Gasmesstechnik, Feuerlöschern etc. setzen wir auch auf die Beratung und Schulung von Kunden“, berichtet Elvira Lieder. So unterweisen etwa eigene Ausbilder mit testierter Lehrbefähigung zu den Themen Gehör- und Atemschutz oder Arbeitsschutz.
Ab April 2018 wird sich Elvira Lieder zurücknehmen, nur noch einen Tag in der Woche ins Unternehmen kommen. Die Geschäftsführung überträgt sie Michael Kersten, der seit 17 Jahren bei AbS Lieder arbeitet und hier auch gelernt hat. Bei ihm weiß sie die Firma in guten Händen, und sie kann sich um Dinge kümmern, die in ihrem langen Arbeitsleben zu kurz kamen.
Reisen beispielsweise, den Austausch mit Gleichgesinnten pflegen beim Unternehmerinnen-Stammtisch in Bitterfeld-Wolfen und etwas mehr Sport treiben. Zudem hat sie sich gerade ein neues Haus gebaut, das alte Familien-Grundstück in Tornau vor der Heide war zu groß geworden. Jetzt gilt es, den neuen Garten zu gestalten, jede Menge Blumenbeete anzulegen.
„Ein bisschen buddeln ist gut für die Seele“, sagt sie lachend, „das schafft Bewegung und Schwung“. Stillsitzen kann sie nicht wirklich, immer braucht sie etwas zu tun. Damit ist sie nach ihrer Einschätzung wie die meisten Leute in der Region, die ohne großes Gerede anpacken. „Wir sind es gewöhnt, unsere Arbeit zu machen, und sie auch gut zu machen.“


Michael Frank – Azubi bei Clariant Produkte (Deutschland) GmbH
„„Bitterfeld-Wolfen ist eine Stadt der kurzen Wege. In zehn bis 20 Minuten ist man überall – ob auf der Arbeit, im Laden oder mittendrin in der Natur.“
Chemie? Seitdem er das Fach kennengelernt hat, ist Michael Frank von Chemie fasziniert. Und es liegt ihm. „Schon in der Schule habe ich mich dafür begeistert, wie man aus diversen Bausteinen etwas Neues zusammenbaut“, sagt der 21-Jährige. Und natürlich, auch zu Hause hat er experimentiert. Irgendwann war klar: „Ich werde Chemiker, ich werde Forscher!“
Aber gleich nach dem Abitur an die Universität gehen, das wollte Michael Frank nicht. Nach der geballten Theorie in den Leistungskursen wollte er zunächst einmal die Praxis-Seite der Chemie kennenlernen. Auch die Eltern, beide mit beruflichen Wurzeln in der Region, rieten ihm dazu, zunächst einen praktischen Beruf zu lernen.
Die erste Adresse für Michael Frank war Bitterfeld-Wolfen, obwohl der in Dessau-Roßlau Gebürtige in Hannover aufgewachsen ist. „Ich habe mich für eine Ausbildung zum Chemikanten beim Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld beworben und wurde so Azubi bei Clariant.“
Clariant stellt hier mit 55 Beschäftigten unter anderem Spezialzeolithe her, die in der Autoabgasreinigung oder als Katalysator in der erdölverarbeitenden Industrie angewendet werden. Die Herstellung erfordert ein umfassendes Wissen und Know-how von Prozessen, wie der Kristallbildung oder Filtration, Trocknung und Kalzination.
Michael Frank ist in seinem Element, lernt auch, wie man die Anlage überwacht und fährt, welche Protokolle wie auszufüllen sind, wie man Flansche anzieht oder wie SPS-Steuerungen funktionieren. „Die Kollegen helfen gerne, wenn ich frage“, sagt er. Das gilt auch für Ingo Pannier, seinen Ausbildungsbetreuer im Unternehmen.
Der unterstützt ihn gerade bei den Prüfungsvorbereitungen, denn Michael Frank lernt nach drei Jahren vorzeitig aus. „Schade, dass Michael uns verlässt“, bedauert Ingo Pannier. „Wir hoffen, wir bleiben im Kontakt, können ihm beim Studium mit Praktika oder Forschungsthemen unterstützen.“
Michael Frank weiß schon, dass er an der Universität Leipzig Chemie studieren will. Aber wohnen bleibt er in Bitterfeld-Wolfen. Hier hat er seine kleine Zweiraumwohnung und seine Freunde, hier hat er „eine Stadt der kurzen Wege. In zehn bis 20 Minuten ist man überall – ob auf der Arbeit, im Laden oder mittendrin in der Natur.“


Stefan Kauerauf – Werkleiter der Akzo Nobel Industrial Chemicals GmbH
„Ich bin stolz darauf, dass wir ein wichtiger Teil des Stoffverbundes sind. Wir sehen uns als Tankstelle des Chemieparks.“
Wir, das ist die Firma AkzoNobel mit Werkleiter Stefan Kauerauf an der Spitze.
80 Mitarbeiter sorgen dafür, dass tagtäglich ausreichend Chlor und Natronlauge durch die Pipelines des Chemieparks zu den verschiedenen Firmen oder auch zu Kunden außerhalb des Areals gelangen. Pro Jahr sind das 90.000 Tonnen Chlor und 100.000 Tonnen Natronlauge. Unvorstellbare Mengen.
Für viele Menschen in der Region ist „Chlor IV“ noch ein Begriff, gehörte die Anlage doch im Chemiekombinat Bitterfeld zu einer der sozialistischen Vorzeige-Investitionen. 1981 eingeweiht, produzierte sie auch nach der Wende den so wichtigen Rohstoff Chlor. 1997 erfolgte die Übernahme durch AkzoNobel. Die wesentlichen Teile der Chlorherstellung wurden erneuert, die vorhandene Infrastruktur konnte jedoch weiter genutzt werden, wie beispielsweise die fast 50 Kilometer lange Leitung nach Bernburg, über welche die Salzlösung nach Bitterfeld gelangt, so der Werkleiter.
Stefan Kauerauf ist seit 2010 als Werkleiter mit im Boot. Ein Vogtländer in Sachsen-Anhalt, der sich wohl fühlt an seinem Arbeitsplatz im Herzen des Chemieparks. „Die chemische Industrie steht längst nicht mehr als Dreckschleuder da, sie wird inzwischen als ehrliche Industrie angesehen.“
Kauerauf weiß wovon er spricht, hat ihn doch die Chemie durch sein gesamtes Arbeitsleben begleitet. Im vogtländischen Greiz geboren und aufgewachsen, folgte nach dem Abitur zunächst eine zweitmonatige „Kennenlernphase“ im Chemiewerk Greiz–Dölau, das damals zu Buna gehörte. Obligatorisch folgten anderthalb Jahre bei der Armee, dann die Rückkehr in das Chemiewerk, um so die Monate bis zum Studium zu überbrücken. Sein Ziel hatte Stefan Kauerauf stets vor Augen: Verfahrenstechniker will er werden. Es folgen glückliche Studentenjahre an der Technischen Universität Dresden, die mit dem Diplom als Verfahrenstechniker ihren Abschluss finden. Als Prozessingenieur verdient er seinen ersten Lohn, wechselt dann in die Umweltschutzabteilung, die mit der Wende natürlich vor riesigen Problemen steht. „Da waren tausende Tonnen von Abfällen und Produkten, die keiner mehr haben wollte, die aber entsorgt werden mussten. Prägende Jahre waren das, in denen ich sicher viele meiner grauen Haare bekommen haben.“
1993 wird das Thüringische Werk von Engländern übernommen, fünf Jahre darauf steigt AkzoNobel mit ein. Stefan Kauerauf wird wenig später Produktionsleiter, hat plötzlich Verantwortung für 40 Mitarbeiter. „Das war ein Sprung ins kalte Wasser.“ Doch er kann schwimmen, übernimmt eine technische Abteilung, ist für die Qualitätskontrolle zuständig, in die Schaffung neuer Produktionsstrukturen involviert.
2010 stellt er sich neuen beruflichen Aufgaben, nimmt das Angebot in Bitterfeld, bei AkzoNobel Werkleiter zu werden, an. Der Arbeitsweg ist damit zwar 140 Kilometer länger, doch das stört den leidenschaftlichen Autofahrer nicht. Er wird zum Wochenendpendler.
„Ich war von Anfang an von den Dimensionen des Chemieparks fasziniert, alles ist sauber, aufgeräumt und klar strukturiert“.
Besonders stolz ist der 54-Jährige auf die rückstandsfreie Chlorproduktion bei Akzo Nobel. Das heißt alle Stoffe, die bei den chemischen Prozessen in den Anlagen entstehen, werden weiter genutzt. Es gibt also keinerlei Abfälle. Zu seinen 80 Mitarbeitern hat der Thüringer einen guten Draht. „Ich schätze Leute, die praktisch arbeiten, ganz ganz hoch“.
Auch die Themen Sicherheit und Nachhaltigkeit beschäftigen den zweifachen Familienvater. So gehören regelmäßige Schulungen und die ständige Überprüfung von Sicherheitsstandards zum Arbeitsalltag.
Wenn er den hinter sich lässt, dann genießt er wochentags den Blick über die Goitzsche, an den Wochenenden sind es die Berge im heimatlichen Vogtland.Da wundert es nicht, dass diese auch bei seinen Freizeitaktivitäten hoch im Kurs stehen. Während er sich im Winter gern die Ski unter schnallt, sind es in den schneefreien Monaten die Wanderschuhe. Da kann es schon mal hoch hinaus gehen auf 3.000 Meter Höhe.