Gesichter der Region
Der Wandel der einst grauen Chemieregion hin zu einem fortschrittlichen Industriestandort und attraktiven Lebensumfeld sowie die Menschen in der Region rücken im Festjahr in den Fokus.
Im Rahmen der Porträtreihe „Gesichter der Region“ wurden auf dieser Webseite Persönlichkeiten aus der Region vorgestellt. Menschen, die hier zuhause sind, täglich zur Arbeit in den Chemiepark pendeln, seit Jahrzehnten einem Betrieb angehören oder zukünftig hier arbeiten wollen. In spannenden Geschichten, Berichten von Zeitzeugen sowie Anekdoten erfahren wir, was sie machen, wofür sie sich engagieren und was sie an ihrer Heimat schätzen.
Alle Portraits im Überblick:

Stephanie Sitte – Ausbilderin in der Lehrwerkstatt des Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld e.V.
„Schon als Kind hat mich Technik fasziniert. Ich wollte immer genau wissen, wie ein elektronisches Gerät funktioniert und wie es von innen aussieht. Heute bin ich Elektronikerin für Betriebstechnik und bilde junge Leute im ersten Lehrjahr aus. Ich habe meine Leidenschaft zum Beruf gemacht!“
Drähte und Schaltkreise, Leuchten, Spulen, Schraubendreher, Zangen und Werkzeuge aller Art bilden die Kulisse für Stephanie Sittes Arbeitsplatz. In der Lehrwerkstatt des Bildungszentrums Wolfen-Bitterfeld e. V., mitten im Chemiepark, ist sie verantwortlich für zwölf Auszubildende im ersten Lehrjahr und erklärt dem Nachwuchs unter anderem wie man Grundschaltungen aufbaut. Aufmerksam hören die Lehrlinge, unter ihnen zwei Frauen, den Erläuterungen ihrer jungen Dozentin und Betreuerin zu. Als Mechatroniker, Elektroniker für Betriebstechnik oder Automatisierungstechnik wollen sie später in der Industrie arbeiten. Fachleute, die bei den hiesigen Unternehmen in den kommenden Jahren immer mehr gefragt sind.
Noch vor einem Jahr war Stephanie Sitte selbst Azubine bei der Firma POLIFILM – einem regionalen Hersteller für Polyethylen-Folien – und hat sich in der Lehrwerkstatt neben Theorie auch Praxiswissen angeeignet. Heute ist die 27-jährige Ausbilderin in einer Branche spezialisiert, in der Frauen eher selten zuhause sind. Stephanie Sitte macht das nichts aus: Tüfteln, Bauen, Experimentieren sind ihre Leidenschaft, seit der Kindheit. Heute ist es ihr Beruf. „Technik hat mich schon immer fasziniert. Ich wollte immer genau wissen, wie ein elektronisches Gerät funktioniert und wie es von innen aussieht“, erzählt sie.
In der Lehrwerkstatt gibt sie nun den Ton an, der bei den jungen Leuten gut ankommt. „Ich habe einen guten Draht zu meinen Lehrlingen, mir macht es Spaß mein Wissen weiterzugeben und mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten. Deshalb habe ich gleich im Anschluss an meine Lehre eine zusätzliche IHK-Qualifizierung als Ausbilderin absolviert“, sagt Stephanie Sitte. In der Ortschaft Hinsdorf, nur wenige Kilometer von ihrem Arbeitsplatz im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen entfernt ist, ist sie aufgewachsen. Schon immer war klar, dass die junge Mutter in der Region bleiben möchte. „Meine Familie und Freunde sind hier, mit dem Chemiepark vor der Haustür und den dort ansässigen Firmen hatte ich gute berufliche Aussichten“, sagte Stephanie Sitte. Ihre Ausbildung zur Meisterin ist das nächste Ziel, das sich die ehrgeizige junge Frau gesetzt hat, perspektivisch könne sie dann die Ausbildungsleitung übernehmen.
Für die Zukunft wünscht sie sich, dass noch mehr Frauen diese Branche für sich entdecken. Oft seien die fachlichen Leistungen von Frauen im Bereich Elektronik sogar besser als die der männlichen Kollegen. Handwerkliches Geschick, gute Mathekenntnisse, logisches Denken sind in diesem Ausbildungsberuf gefragt und natürlich Interesse für Technik. Im Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld bekommen Azubis ihre praktische Ausbildung im Auftrag von insgesamt rund 120 Firmen, die zum großen Teil im benachbarten Chemiepark angesiedelt. Mehr als 30 Berufe in verschiedenen Bereichen, u. a. Labor- und Prozesstechnik, Elektrotechnik, Metall- und Kunststofftechnik, Informations- und Medientechnik sowie Wirtschaft und Verwaltung werden angeboten.

Kristian Dietrich – Geschäftsführer des Gemeinschaftsklärwerks Bitterfeld-Wolfen
„Es macht mich stolz, wenn wir es mit unserer Kläranlage schaffen, das Abwasser aus Industrie und Kommune immer besser zu reinigen und damit einen wichtigen Beitrag für die Umwelt und die Region leisten. Wenn wir unseren Auftrag noch effizient, unter minimalem Einsatz von Ressourcen und mit Freude und Leidenschaft bei unseren Mitarbeitern hinbekommen, kann das sehr erfüllend sein.“
Es war im Frühjahr 2015 als Kristian Dietrich im schottischen Edinburgh das Angebot aus Bitterfeld-Wolfen erreichte. Das hiesige Klärwerk war auf der Suche nach einem neuen Geschäftsführer. Eine reizvolle Perspektive für den gebürtigen Sachsen-Anhalter, der seiner Heimat trotz vieler Jahre im Ausland immer verbunden war. „Der Wunsch nach Mitteldeutschland zurückzukehren war immer da. Es ist ein lebenswerter Ort, die Menschen haben einen guten Lebensstandard, es gibt eine durchaus anziehende Wald- und Seenlandschaft, die Familie lebt hier“, sagt der 39-Jährige, der von seinem Büro in der 4. Etage einen Panoramablick über die Anlagen des Werkes – ein Koloss aus großen weißen Behältern und Becken am Rande des Chemieparks – hat.
Seit Oktober 2015 lenkt er die Geschicke des Gemeinschaftsklärwerks Bitterfeld-Wolfen (GKW), damals an der Seite von Regina Egert, die das Unternehmen über viele Jahre führte. Mitte 2016 übernahm er den Staffelstab an der Spitze des GKW, das eine der modernsten Anlagen der Region betreibt. 77.000 m3 Abwasser werden am Tag über verschiedene Stufen geklärt. Kommunale und industrielle Abwässer sowie kontaminiertes Grundwasser werden in teils getrennten auf den jeweiligen Strom zugeschnittenen Prozessen geklärt – jedoch in einem Werk. Bemessen an der Einwohnerzahl beträgt die Reinigungskapazität 586.000 EW (Einwohnerwerte). Diese Kapazität wäre ausreichend für eine Großstadt wie Leipzig. Pro Jahr fließen ungefähr acht Millionen Kubikmeter gereinigtes Abwasser in die Mulde ab. Seit 2011 sind zusätzlich drei Anaerobreaktoren im Einsatz, die extrem salzhaltige Industriewasser effizient vorreinigen und energiereiches Biogas erzeugen. Eine eigene Klärschlammverbrennungsanlage stellt rund um die Uhr eine umweltgerechte Entsorgung des anfallenden Klärschlammes sicher.
Wer je in einem Klärwerk war, erwartet womöglich Gestank. Davon liegt hier nichts in der Luft. „Das liegt unter anderem an den Biohochreaktoren. Durch die spezielle Hochbauweise wird nicht nur der Gestank verringert, sie sind auch energetisch sehr ausgereift und gegenüber konventionellen Behandlungstechnologien platzsparend.“, erklärt Kristian Dietrich, der Umwelttechnik in Cottbus studierte und anschließend am Imperial College in London 2003 mit dem Master of Science abschloss. Seit 2012 war er im Bereich der kommunalen Abwasserbehandlung in Großbritannien tätig.
Seine Auslandserfahrung kommt ihm heute zugute, regelmäßig besuchen internationale Kunden, Delegationen und Fachpublikum das Klärwerk. „Wir verstehen uns als Dienstleister für alle Firmen am Standort und als Katalysator für Neuansiedlungen. Wir beraten Unternehmen, die sich hier im Chemiepark niederlassen wollen und suchen Lösungen für spezielle Abwasser“, meint der Kristian Dietrich. Insgesamt hat er die Verantwortung für derzeit 59 Mitarbeiter, darunter auch viele neue Gesichter. Erst in den letzten 6 Monaten haben acht neue Fachkräfte, darunter 2 AZUBIs, Elektroniker, Mechatroniker, ein Verfahrenstechniker, ein Laborleiter und eine QHSE Koordinatorin, ihre Arbeit im GKW aufgenommen.
Beim Blick in die Zukunft ist der junge Geschäftsführer optimistisch. Das Klärwerk ist gut aufgestellt, die Auslastung liegt derzeit bei über 95 Prozent. Die Modernisierung von Geschäftsprozessen und neue Ansätze für das Instandhaltungsmanagement sind Aufgaben, denen sich der begeisterte Freizeitläufer in den kommenden Jahren stellt.

Jens Piotraschke – Betriebsstättenleiter bei Evonik
„Ich halte den Chemiepark Bitterfeld-Wolfen für einen der Schönsten in ganz Deutschland. Er ist großzügig und offen angelegt, hat zwischen all den Unternehmen zudem viel Grün.“
Niemals wolle er hier arbeiten, hatte sich Jens Piotraschke geschworen, als er 1988 im Rahmen seines Studiums eine Exkursion nach Bitterfeld unternehmen musste. „Ich war geschockt, hatte eine derartige Verschmutzung und so viel grau noch nie zuvor gesehen.“
Doch es kam anders, wie so oft im Leben. Die graue dreckige Stadt hat sich gewandelt wie keine andere in den neuen Bundesländern. Und Jens Piotraschke ist beruflich genau dort erfolgreich, wo er ursprünglich nie hin wollte. Seit sieben Jahren ist der 51-jährige Betriebsstättenleiter bei Evonik, mitten im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen. Und der hat so gar nichts mehr gemein mit der Chemieregion von damals. „Die Chemie ist extrem sauber geworden.“
In Coswig bei Dresden geboren begeisterte sich Jens Piotraschke, im Gegensatz zu vielen seiner Klassenkameraden, schon früh für Chemie. “Ich habe als Kind einen Chemiebaukasten geschenkt bekommen. Das Experimentieren hat mich total begeistert.“ Die Begeisterung blieb, erlosch auch während des Abiturs und der anschließenden Armeezeit nicht. So begann er 1987 an der damaligen Karl-Marx Universität in Leipzig sein Chemiestudium. Trotz turbulenter Umbruchsjahre an der Uni hielt er 1992 sein Diplom in der Hand. Jens Piotraschke blieb an der Uni, promovierte zum Doktor der Naturwissenschaften.
Seine berufliche Karriere begann er dann in einem mittelständischen Unternehmen der Lackindustrie in Sachsen und einem in der Schweiz. Anfangs sei das eine große Umstellung für ihn gewesen, vom Unibetrieb rein in die Privatwirtschaft. Doch die Herstellung von Lacken, bei der unterschiedlichste Komponenten zusammengeführt werden müssen, forderte sein kreatives Denken. Zehn Jahre lang blieb er in den Unternehmen der Lackindustrie. 2010 folgte dann der Wechsel zu Evonik; ein Jahr später übernahm er die Leitung der Bitterfelder Betriebsstätte. Die ist Teil eines weltweiten Netzwerkes. Evonik ist in über 100 Ländern vertreten, beschäftigt rund 35.000 Mitarbeiter.
45 Mitarbeiter gehören in Bitterfeld zum Team von Jens Piotraschke. Der setzt in seiner Betriebsführung vor allem auf ein faires Miteinander. „Bei uns kennt jeder jeden, das ist auch ein Stück weit familiär. Vor allem die Kommunikation untereinander halte ich für einen wichtigen Aspekt erfolgreicher Arbeit.“
Evonik produziert in seinem Bitterfelder Werk Chlorsilane, die zur Herstellung von Lichtwellenleitern verwendet werden. Das sind lange dünne Fasern aus Glas, die in Glasfaserkabeln gebündelt sind, mit deren Hilfe Daten übertragen werden. Schnelles Surfen im Internet, Telefonieren, Fernsehen gucken, all das wäre in der heutigen Qualität ohne Lichtwellenleiter nicht möglich. Evonik gehört mit seinen Chlorsilanen zum Stoffverbund des Chemieparks, liefert den flüssigen Stoff über Rohrleitungen auch zur wenige hundert Meter entfernten Firma Heraeus Quarzglas, die mit diesem Material dann das Vorprodukt für die Lichtwellenleiter herstellt.
Dank des weltweiten Internetbooms und der stetig steigenden Nachfrage nach Glasfasern blickt Evonik selbstbewusst und optimistisch in die Zukunft. Die vor rund 20 Jahren erbaute Anlage läuft rund um die Uhr. Die Mitarbeiter arbeiten im Vierschichtsystem. Wenn Jens Piotraschke nicht am Schreibtisch sitzt oder in der Anlage unterwegs ist, dann genießt er das besonders Ambiente an der Goitzsche. „Ich bin immer wieder begeistert, wenn ich sehe, was sich hier in den zurückliegenden Jahren alles getan hat.“ Meist ist er joggend unterwegs. Allein. Denn seine Familie ist im sächsischen Coswig geblieben, kein Problem für den Vater einer inzwischen erwachsenen Tochter.
Für die geistige Fitness spielt der 51-jährige in seinem Heimatort Schach. Hier seien vor allem strategisches und langfristiges Denken gefragt, Eigenschaften, die ihm auch als Betriebsstättenleiter nützlich sind. „Zudem fasziniert mich noch immer die Unendlichkeit der Möglichkeiten des Schachs. Man macht immer wieder neue Fehler und lernt dazu.“ Diese Art, Dinge neu zu denken und strategisch an etwas heran zu gehen, ist es auch, wo sich der private und berufliche Kreis des Jens Piotraschke schließen.

Dr. Carsten Schellenberg – Geschäftsführer der IAB Ionenaustauscher GmbH
„„Die Vorstellung, mit unseren Anlagen hier im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen dafür zu sorgen, dass es überall auf der Welt sauberes Wasser gibt, ist für mich einfach phantastisch.“
Quasi jeden Tag hängt Dr. Carsten Schellenberg seinen Anzug an den Haken, streift die Arbeitsmontur über und macht sich auf den Weg in die Produktionsanlagen. Als Geschäftsführer der IAB Ionenaustauscher GmbH, einer hundertprozentigen Tochter des Kölner Spezialchemie-Konzerns LANXESS, möchte er wissen, was „draußen“ in seinen Betrieben los ist. „Mir ist es unheimlich wichtig, mit den Leuten zu reden, direkten Kontakt zu unseren Mitarbeitern zu haben. Zudem möchte ich natürlich auch bei allen technischen Neuerungen und Änderungen am Ball bleiben.“
Die Geschichte seines Geschäftes, der Ionenaustauscherproduktion, begann bereits in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Wolfen. Weltbekannt wurden die kleinen Polymerkügelchen, mit denen unerwünschte Stoffe aus Wasser entfernt werden können, unter dem Markennamen „Wofatit“ zu DDR-Zeiten. Die alten Anlagen wichen schließlich einer neuen, modernen Produktionsstätte, die 1999 eingeweiht wurde. Die Ionenaustauscher-Harze firmieren heute unter dem Markennamen „Lewatit“, der auch groß am Produktionsgebäude zu lesen ist. Das Besondere: in Bitterfeld werden monodisperse Harze produziert. Das heißt, die Harzperlen haben alle die gleiche Größe. Dies erfordert eine ganz spezielle Technologie. Das Bitterfelder Werk ist eines der wenigen weltweit, das diese Technologie beherrscht. „Nur eines unserer Alleinstellungsmerkmale“, sagt Schellenberg schmunzelnd.
Ihre Anwendung finden die kleinen Perlen unter anderem in Geschirrspülmaschinen, um beispielweise Ionen, die für einen hohen Härtegrad des Wassers, sprich Kalk, verantwortlich sind, zu entfernen. Doch das ist inzwischen nicht mehr das einzige Geschäftsfeld von LANXESS in Bitterfeld:
Im Jahr 2010 wurde mit dem Bau einer zweiten Anlage begonnen, die ein Jahr später ihre Produktion aufnahm. Hier entstehen seitdem Membranfiltrationselemente der Marke „Lewabrane“, die ebenfalls bei der Wasseraufbereitung zum Einsatz kommen. Kern des Prozesses ist das Prinzip der Umkehrosmose, Die in Bitterfeld hergestellten Membranfilterelemente werden unter anderem zur Trinkwasseraufbereitung aus Meerwasser, sprich zur Entsalzung, eingesetzt, sind beispielsweise aber auch in zahlreichen Kraftwerken im Einsatz. Auch in der Mikrochip-Industrie, in der hochreines Wasser benötigt wird, sind die Bitterfelder Elemente sehr gefragt.
Am Bitterfelder Standort sorgt Geschäftsführer Schellenberg mit rund 160 Mitarbeitern für einen reibungslosen Ablauf in den beiden Anlagen, die im Vier-Schicht-System rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr, laufen.
Im sächsischen Döbeln geboren, besuchte Carsten Schellenberg in Leipzig ein Gymnasium mit mathematischer und naturwissenschaftlicher Ausrichtung. Es folgte das Studium der Chemie an der Universität in Marburg und die Promotion am Max-Planck-Institut. Die ersten Berufsjahre führten ihn zunächst in die Schweiz, dann folgte ein anderthalbjähriger Aufenthalt in Japan. Im Land der aufgehenden Sonne wurde auch seine inzwischen elfjährige Tochter geboren.
„Die Zeit in Asien hat meinen Horizont sehr erweitert. Die Japaner sind sehr disziplinierte Menschen, das hat mir gut gefallen“, resümiert Schellenberg. 2006 kam dann die Rückkehr nach Deutschland. Bei der BASF in Ludwigshafen fand er eine neue berufliche Herausforderung. Im Jahr 2012 zog die Familie zurück in die sächsische Heimat – nach Leipzig. Chemiker Schellenberg beginnt in Bitterfeld als Laborleiter bei der IAB Ionenaustauscher GmbH und widmet sich Forschungsaufgaben. 2016 wird er Geschäftsführer sowie Forschungs- und Entwicklungsleiter bei der LANXESS-Tochter. Eine Aufgabe, die ihn angesichts der weltweiten Abwasser- und Trinkwasserproblematik, die es zu lösen gilt, Tag für Tag aufs Neue reizt.
Auch wenn für Carsten Schellenberg Acht-Stunden-Tage eher zur Seltenheit gehören, ist ihm die Zeit mit seiner Familie sehr wichtig. „Wir sind Camping-Fans, genießen das Leben in der Natur, an der Ostsee ebenso wie im Fläming.“ Und noch etwas zeichnet den 45-Jährigen aus: „Ich lache gern und bin an 99 Prozent aller Tage positiv eingestellt.“ Eine Eigenschaft, über die sich sicherlich auch sein Team tagtäglich freut.

Elvira Lieder – geschäftsführende Gesellschafterin der AbS Lieder GmbH
„„Wir sind es gewohnt, unsere Arbeit zu machen, und sie auch gut zu machen.“
Friederike ist schuld am Gerüst, dass das Hauptgebäude der AbS Lieder GmbH in Wolfen umschließt. Der Sturm hat das Dach im Januar 2018 einfach umgeklappt. Aber der Umgang mit unerwarteten Ereignissen ist für Elvira Lieder, Chefin des mittelständischen Unternehmens für Arbeits- und Brandschutz, nichts Ungewohntes.
Im Gegenteil. „Stellt sich ein Problem, überlege ich mir Lösungswege, wäge alle Argumente pro und contra ab und dann entscheide ich“, erklärt die 65-Jährige. So wie jetzt beim Dach oder vor einigen Monaten, als es darum ging, neben dem immer gut besuchten Verkaufsraum ein ruhiges Büro für die Mitarbeiterinnen einzurichten, die die Aufträge bearbeiten.
Geboren in Jessnitz hat Elvira Lieder in der Filmfabrik Wolfen Chemiefacharbeiterin gelernt, ist dann den kaufmännischen Berufsweg gegangen und hat in der Abteilung Absatz für die banktechnischen Abwicklungen von „Westgeschäften“ gesorgt. Nebenher arbeitete sie für Versicherungen, ist dann ab 1994 voll in die Buchhaltung des Unternehmens ihres Mannes eingestiegen.
Nur eine Nacht des Nachdenkens hat sie die Entscheidung gekostet, die Firma weiterzuführen, als ihr Mann 2002 plötzlich verstarb. Er hatte das Unternehmen 1992 gegründet und es erfolgreich gemacht. „Weiterzumachen war das einzig richtige“, so Elvira Lieder. Allein schon, um die Arbeitsplätze der Beschäftigten zu erhalten, die eine große Aktie am Unternehmenserfolg haben.
AbS Lieder ist heute ein renommierter Komplettdienstleister für Arbeits- und Brandschutz mit 30 Beschäftigten und mit Niederlassungen in Dessau und Merseburg. Man arbeitet mit namhaften Herstellern und Importeuren deutschlandweit zusammen, betreut viele Firmenkunden im Chemiedreieck und darüber hinaus.
„Neben Verkauf, Verleih sowie den gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen und Wartungen von persönlichen Schutzausrüstungen, Atemmasken, Gasmesstechnik, Feuerlöschern etc. setzen wir auch auf die Beratung und Schulung von Kunden“, berichtet Elvira Lieder. So unterweisen etwa eigene Ausbilder mit testierter Lehrbefähigung zu den Themen Gehör- und Atemschutz oder Arbeitsschutz.
Ab April 2018 wird sich Elvira Lieder zurücknehmen, nur noch einen Tag in der Woche ins Unternehmen kommen. Die Geschäftsführung überträgt sie Michael Kersten, der seit 17 Jahren bei AbS Lieder arbeitet und hier auch gelernt hat. Bei ihm weiß sie die Firma in guten Händen, und sie kann sich um Dinge kümmern, die in ihrem langen Arbeitsleben zu kurz kamen.
Reisen beispielsweise, den Austausch mit Gleichgesinnten pflegen beim Unternehmerinnen-Stammtisch in Bitterfeld-Wolfen und etwas mehr Sport treiben. Zudem hat sie sich gerade ein neues Haus gebaut, das alte Familien-Grundstück in Tornau vor der Heide war zu groß geworden. Jetzt gilt es, den neuen Garten zu gestalten, jede Menge Blumenbeete anzulegen.
„Ein bisschen buddeln ist gut für die Seele“, sagt sie lachend, „das schafft Bewegung und Schwung“. Stillsitzen kann sie nicht wirklich, immer braucht sie etwas zu tun. Damit ist sie nach ihrer Einschätzung wie die meisten Leute in der Region, die ohne großes Gerede anpacken. „Wir sind es gewöhnt, unsere Arbeit zu machen, und sie auch gut zu machen.“

Michael Frank – Azubi bei Clariant Produkte (Deutschland) GmbH
„„Bitterfeld-Wolfen ist eine Stadt der kurzen Wege. In zehn bis 20 Minuten ist man überall – ob auf der Arbeit, im Laden oder mittendrin in der Natur.“
Chemie? Seitdem er das Fach kennengelernt hat, ist Michael Frank von Chemie fasziniert. Und es liegt ihm. „Schon in der Schule habe ich mich dafür begeistert, wie man aus diversen Bausteinen etwas Neues zusammenbaut“, sagt der 21-Jährige. Und natürlich, auch zu Hause hat er experimentiert. Irgendwann war klar: „Ich werde Chemiker, ich werde Forscher!“
Aber gleich nach dem Abitur an die Universität gehen, das wollte Michael Frank nicht. Nach der geballten Theorie in den Leistungskursen wollte er zunächst einmal die Praxis-Seite der Chemie kennenlernen. Auch die Eltern, beide mit beruflichen Wurzeln in der Region, rieten ihm dazu, zunächst einen praktischen Beruf zu lernen.
Die erste Adresse für Michael Frank war Bitterfeld-Wolfen, obwohl der in Dessau-Roßlau Gebürtige in Hannover aufgewachsen ist. „Ich habe mich für eine Ausbildung zum Chemikanten beim Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld beworben und wurde so Azubi bei Clariant.“
Clariant stellt hier mit 55 Beschäftigten unter anderem Spezialzeolithe her, die in der Autoabgasreinigung oder als Katalysator in der erdölverarbeitenden Industrie angewendet werden. Die Herstellung erfordert ein umfassendes Wissen und Know-how von Prozessen, wie der Kristallbildung oder Filtration, Trocknung und Kalzination.
Michael Frank ist in seinem Element, lernt auch, wie man die Anlage überwacht und fährt, welche Protokolle wie auszufüllen sind, wie man Flansche anzieht oder wie SPS-Steuerungen funktionieren. „Die Kollegen helfen gerne, wenn ich frage“, sagt er. Das gilt auch für Ingo Pannier, seinen Ausbildungsbetreuer im Unternehmen.
Der unterstützt ihn gerade bei den Prüfungsvorbereitungen, denn Michael Frank lernt nach drei Jahren vorzeitig aus. „Schade, dass Michael uns verlässt“, bedauert Ingo Pannier. „Wir hoffen, wir bleiben im Kontakt, können ihm beim Studium mit Praktika oder Forschungsthemen unterstützen.“
Michael Frank weiß schon, dass er an der Universität Leipzig Chemie studieren will. Aber wohnen bleibt er in Bitterfeld-Wolfen. Hier hat er seine kleine Zweiraumwohnung und seine Freunde, hier hat er „eine Stadt der kurzen Wege. In zehn bis 20 Minuten ist man überall – ob auf der Arbeit, im Laden oder mittendrin in der Natur.“

Stefan Kauerauf – Werkleiter der Akzo Nobel Industrial Chemicals GmbH
„Ich bin stolz darauf, dass wir ein wichtiger Teil des Stoffverbundes sind. Wir sehen uns als Tankstelle des Chemieparks.“
Wir, das ist die Firma AkzoNobel mit Werkleiter Stefan Kauerauf an der Spitze.
80 Mitarbeiter sorgen dafür, dass tagtäglich ausreichend Chlor und Natronlauge durch die Pipelines des Chemieparks zu den verschiedenen Firmen oder auch zu Kunden außerhalb des Areals gelangen. Pro Jahr sind das 90.000 Tonnen Chlor und 100.000 Tonnen Natronlauge. Unvorstellbare Mengen.
Für viele Menschen in der Region ist „Chlor IV“ noch ein Begriff, gehörte die Anlage doch im Chemiekombinat Bitterfeld zu einer der sozialistischen Vorzeige-Investitionen. 1981 eingeweiht, produzierte sie auch nach der Wende den so wichtigen Rohstoff Chlor. 1997 erfolgte die Übernahme durch AkzoNobel. Die wesentlichen Teile der Chlorherstellung wurden erneuert, die vorhandene Infrastruktur konnte jedoch weiter genutzt werden, wie beispielsweise die fast 50 Kilometer lange Leitung nach Bernburg, über welche die Salzlösung nach Bitterfeld gelangt, so der Werkleiter.
Stefan Kauerauf ist seit 2010 als Werkleiter mit im Boot. Ein Vogtländer in Sachsen-Anhalt, der sich wohl fühlt an seinem Arbeitsplatz im Herzen des Chemieparks. „Die chemische Industrie steht längst nicht mehr als Dreckschleuder da, sie wird inzwischen als ehrliche Industrie angesehen.“
Kauerauf weiß wovon er spricht, hat ihn doch die Chemie durch sein gesamtes Arbeitsleben begleitet. Im vogtländischen Greiz geboren und aufgewachsen, folgte nach dem Abitur zunächst eine zweitmonatige „Kennenlernphase“ im Chemiewerk Greiz–Dölau, das damals zu Buna gehörte. Obligatorisch folgten anderthalb Jahre bei der Armee, dann die Rückkehr in das Chemiewerk, um so die Monate bis zum Studium zu überbrücken. Sein Ziel hatte Stefan Kauerauf stets vor Augen: Verfahrenstechniker will er werden. Es folgen glückliche Studentenjahre an der Technischen Universität Dresden, die mit dem Diplom als Verfahrenstechniker ihren Abschluss finden. Als Prozessingenieur verdient er seinen ersten Lohn, wechselt dann in die Umweltschutzabteilung, die mit der Wende natürlich vor riesigen Problemen steht. „Da waren tausende Tonnen von Abfällen und Produkten, die keiner mehr haben wollte, die aber entsorgt werden mussten. Prägende Jahre waren das, in denen ich sicher viele meiner grauen Haare bekommen haben.“
1993 wird das Thüringische Werk von Engländern übernommen, fünf Jahre darauf steigt AkzoNobel mit ein. Stefan Kauerauf wird wenig später Produktionsleiter, hat plötzlich Verantwortung für 40 Mitarbeiter. „Das war ein Sprung ins kalte Wasser.“ Doch er kann schwimmen, übernimmt eine technische Abteilung, ist für die Qualitätskontrolle zuständig, in die Schaffung neuer Produktionsstrukturen involviert.
2010 stellt er sich neuen beruflichen Aufgaben, nimmt das Angebot in Bitterfeld, bei AkzoNobel Werkleiter zu werden, an. Der Arbeitsweg ist damit zwar 140 Kilometer länger, doch das stört den leidenschaftlichen Autofahrer nicht. Er wird zum Wochenendpendler.
„Ich war von Anfang an von den Dimensionen des Chemieparks fasziniert, alles ist sauber, aufgeräumt und klar strukturiert“.
Besonders stolz ist der 54-Jährige auf die rückstandsfreie Chlorproduktion bei Akzo Nobel. Das heißt alle Stoffe, die bei den chemischen Prozessen in den Anlagen entstehen, werden weiter genutzt. Es gibt also keinerlei Abfälle. Zu seinen 80 Mitarbeitern hat der Thüringer einen guten Draht. „Ich schätze Leute, die praktisch arbeiten, ganz ganz hoch“.
Auch die Themen Sicherheit und Nachhaltigkeit beschäftigen den zweifachen Familienvater. So gehören regelmäßige Schulungen und die ständige Überprüfung von Sicherheitsstandards zum Arbeitsalltag.
Wenn er den hinter sich lässt, dann genießt er wochentags den Blick über die Goitzsche, an den Wochenenden sind es die Berge im heimatlichen Vogtland.Da wundert es nicht, dass diese auch bei seinen Freizeitaktivitäten hoch im Kurs stehen. Während er sich im Winter gern die Ski unter schnallt, sind es in den schneefreien Monaten die Wanderschuhe. Da kann es schon mal hoch hinaus gehen auf 3.000 Meter Höhe.

Doris Kambach – Leiterin Buchhaltung Chemiepark Bitterfeld-Wolfen GmbH
„Ich habe großes Glück gehabt, so lange hier am Standort des Chemieparks arbeiten zu können.“
Seit mehr als 40 Arbeitsjahren ist Doris Kambach mit der Chemieregion tief verwurzelt, hat Eigentümer, Investoren und Manager kommen und gehen sehen. Heute ist sie die Leiterin der Buchhaltung bei der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen GmbH.
Aus Holzweißig stammend, legte sie zunächst in Bitterfeld ihr Abitur ab. Gleich danach begann sie an der Karl-Marx-Universität in Leipzig Mathematik zu studieren. Ungewöhnlich für eine junge Frau, auch damals. „Ich mochte es, Probleme zu lösen“, sagt sie rückblickend zur Wahl dieses Studienfaches.
Fast hätte sie ein Arbeitsangebot aus Greifswald angenommen. Doch eine Erkrankung verhinderte, dass sie ihre Abschlussprüfung ablegen konnte. So blieb sie in ihrer Heimat,
begann im Herbst 1977 im Rechenzentrum des Chemiekombinates zu arbeiten. Und während ihre Kollegen nach acht Stunden Arbeit den Feierabend genießen konnten, holte Doris Kambach Prüfung und Diplomarbeit nach. Mit Ehrgeiz und Disziplin.
Wenn sie sich heute an die riesigen Maschinen im damaligen Rechenzentrum erinnert, muss sie lächeln. Im Vier-Schicht-System hat sie gearbeitet, inklusive Wochenenden. Schon damals hat sie sich auch mit der Programmierung beschäftigt – ein Umstand, der sie mit der Wende zu einer unverzichtbaren Expertin machte. Denn sie war maßgeblich an der Einführung des SAP-Systems beteiligt, hat das Abrechenprogramm mit eingeführt. Es folgten turbulente Jahre für den Chemiestandort, die gescheiterte Erstprivatisierung, dann die Übernahme des Chemieparks durch Jürgen Preiss-Daimler. Hier wird sie zunächst Mitarbeiterin der Buchhaltung. Ihren Fähigkeiten entsprechend wird sie 2005 dann Leiterin. Die bleibt sie auch mit der Übernahme des Chemieparks durch die Gelsenwasser AG im Jahr 2013.
„Eigentlich hat sich in den Jahren immer nur der Name des Arbeitgebers geändert, meine buchhalterische Arbeit ist im Grunde gleich geblieben.“ Und so ist sie mehr als 40 Jahre lang die Fachfrau für Umsätze, Passiva, Gewinn- und Verlustrechnungen geblieben. Vielleicht ist diese Kontinuität auch ihrem Naturell zu verdanken: „Ich gehe an die meisten Sachen mit Ruhe heran, bin nur sehr selten aufbrausend.“
Ab Mai fällt nun ihr täglicher Arbeitsweg von Holzweißig nach Bitterfeld weg. Doris Kambach geht in den Ruhestand. So richtig vorstellen kann sie sich das noch nicht, aber Angst vor Langeweile hat sie nicht. Schließlich ist da ihr Haus, sind die zwei erwachsenen Kinder, sind da viele ungelesene Bücher. Und da ist ihre Reiselust. Die hat sie bereits nach Ägypten, Alaska und Irland geführt. Nun soll es weiter in die Ferne gehen. Australien und Neuseeland sind nur zwei ihrer Wunschziele.

Dr. Heiko Mammen – ehemaliger Geschäftsführer, ICL-IP Bitterfeld GmbH
„Chemie macht hier in dieser Region einfach Spaß.“
Dr. Heiko Mammen hat in seiner beruflichen Laufbahn viel gesehen und erlebt, vor allem den stetigen Wandel des Chemieparks Bitterfeld-Wolfen, in dem er 41 Jahre lang in verschiedenen Positionen und Bereichen tätig war. 24 Jahre lang leitete er erfolgreich die Geschicke des international aufgestellten Chemieunternehmens ICL-IP Bitterfeld GmbH. Produziert werden hier vor allem auf Phosphor und Chlor basierende Flammschutzmittel und deren Vorprodukte. Zur Anwendung kommen die Endprodukte bei Herstellern von Kunststoffen, z. B. von Polyurethan-Schaum. In Autositzen, Lenkrädern, Armaturenbrettern, zum Beispiel, sorgen sie für schwere Entflammbarkeit, ebenfalls in Isolierungen von Haushaltsgeräten, in Computer-Gehäusen und Fernsehgeräten.
Im Jahr 1977, nach dem Chemie-Studium in der damaligen Sowjetunion, kam der gebürtige Halberstädter erstmals in die Chemieregion. Zunächst reizte den jungen Mann die Pflanzenschutzmittelforschung, schon im Jugendalter faszinierten ihn chemische Experimente. Im VEB Chemiekombinat Bitterfeld (CKB) fand der promovierte Chemiker seine erste Anstellung, dazu eine moderne Wohnung. Ein Privileg zu jener Zeit. Der Forschung blieb er viele Jahre treu und war später in der Konsumgüterentwicklung, u.a. von Wasch- und Reinigungsmitteln tätig. Nach der Wende und vor allem nach der Währungsunion im Sommer 1990 waren Konsumgüter aus DDR-Produktion nicht mehr gefragt und so wurde die Abteilung Konsumgüterforschung sehr bald aufgelöst. Der Vertrieb der in Bitterfeld hergestellten Produkte wurde neu strukturiert. Heiko Mammen erhielt die Aufgabe,eine Verkaufs- und Marketingabteilung für im CKB hergestellte Pflanzenschutzmittel (bekannt unter den Namen Bi 58, Camposan oder Wofatox) aufzubauen und zu leiten.
In leitenden Positionen fühlte sich der Visionär zu Hause. 1994 wurde der Phosphorchloridebetrieb an den niederländischen Chemiekonzern AkzoNobel verkauft. Dr. Mammen übernahm die Geschäftsführung des neuen Unternehmens. Innerhalb von zwei Jahren entstand eine neue Produktionsanlage für auf Phosphor basierende Flammschutzmittel und Vorprodukte. Es folgten zwei weitere Eigentümerwechsel, die der Unternehmenschef mit Erfolg meisterte. „Drei verschiedene Eigentümer bedeuten drei verschiedene Firmenphilosophien, Entscheidungsstrukturen, Führungskonzepte. Langweilig wurde es nie“, sagt Mammen und ergänzt: „Chemie macht hier in dieser Region einfach Spaß. Deshalb habe ich hier Wurzeln geschlagen.“
Heute arbeiten 70 Mitarbeiter beim Bitterfelder Hersteller für Spezialchemie und Weltmarktführer für Flammschutzmittel. „Viele wurden im Haus ausgebildet und arbeiten noch immer hier, der Zusammenhalt und das Knowhow des Teams sind überragend“, resümiert der langjährige Firmenchef, der in seiner Freizeit gern in der Dübener Heide und an der Goitzsche unterwegs ist. Und so übergibt Mammen sein „Lebenswerk“ mit Stolz an seinen jüngeren Nachfolger Denis Przybylski, der seinen Posten als Geschäftsführer im April 2018 übernommen hat. „Ich freue mich, dass ich in Zukunft mehr Zeit meiner Familie widmen kann, das kam in den vergangenen Jahren immer zu kurz.“ Die Welt will er bereisen und sich in der Region engagieren.
Beim Blick in die Zukunft hat er natürlich auch die positive Entwicklung des Chemieparks im Sinn. „Hier am Standort finden Unternehmen hervorragende Voraussetzungen. Betriebe können sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren: die Chemie. Alle anderen Dienstleistungen, wie z. B. Instandhaltung, lassen sich wunderbar auslagern. Mit Partnern wie Billfinger, SIS, RBB, Transpetrol (VTG) und Securitas hat man gute Spezialisten vor Ort.“ Ein großer Vorteil sei zudem der Stoffverbund mit z. B. einer sehr guten Chlor- Infrastruktur. ICL-IP wiederum gibt sein Nebenprodukt Salzsäure in diesen Stoffkreislauf. Firmen im Chemiepark nutzen die Säure beispielsweise als Rohstoff für Eisenchlorid für Kläranlagen. Perspektivisch wünscht sich Mammen den Erhalt des Stoffverbunds und, dass Synergien zwischen den Unternehmen weiter ausgebaut werden. Innovative Ansiedlungen seiendafür Voraussetzung, genau wie von der Politik geschaffene Rahmenbedingungen, die u. a. zuverlässige Energiepreise garantieren.

Maren Dannenberg – Assistentin der Geschäftsleitung bei der CBW – Chemie GmbH Bitterfeld-Wolfen
„Bei meiner Rückkehr in die Heimat und an meinem neuen Arbeitsplatz im Chemiepark hatte ich sofort das Gefühl: Hier stimmt die Chemie.“
Maren Dannenberg ist seit knapp drei Jahren Assistentin der Geschäftsleitung bei der Firma CBW mit ihren zwei Standorten im Chemiepark und eine glückliche Rückkehrerin.
Dass sie einmal eine derart enge Verbindung mit der Chemie haben würde, war nicht abzusehen. Im kleinen Ort Cobbelsdorf im Landkreis Wittenberg aufgewachsen, verschlug es sie nach der Schule ins westfälische Münster. Sie begann eine Lehre als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte. Obwohl die Verbindung in die Heimat nie abriss, blieb sie in Münster, begann in der Immobilienabteilung einer Bank als Assistentin der Geschäftsleitung zu arbeiten.
In ihrer Freizeit engagierte sie sich bei der Freiwilligen Feuerwehr. Bei den Floriansjüngern lernt sie auch ihren späteren Mann kennen. Wie der Zufall es will, ist auch er ein „Zugezogener“, stammt aus der Lausitz, ist sogar hauptberuflicher Feuerwehrmann. Das Familienglück wird mit zwei Kindern perfekt. Doch irgendetwas fehlt, das merkt Familie Dannenberg: „Wir hatten Freunde, aber vieles blieb oberflächlich.“ Der Wunsch in die alte Heimat zurückzukehren, wurde immer größer.
Maren Dannenbergs Mann fand einen neuen Job bei der Berufsfeuerwehr in Magdeburg. Nach 20 Jahren in Münster packte die vierköpfige Familie die Umzugkartons und zog zurück nach Cobbelsdorf.“ Hier haben wir uns sofort wieder wohl gefühlt, wurden gleich in das Dorfleben integriert.“
Auch beruflich klappte der Wechsel problemlos. „Ich hatte mich auf eine Anzeige der CBW beworben und schon beim ersten Gespräch gemerkt, hier passt einfach alles“. Seit drei Jahren ist sie nun Assistentin der Geschäftsleitung. Die gut halbstündige Autofahrt von Cobbelsdorf in das Areal B des Chemieparks gehört zur täglichen Routine.
80 Mitarbeiter gehören zum Team der CBW, die im Jahre 1997 gegründet wurde und als Produzent von Spezialchemikalien in den Arealen B und E des Chemieparks Bitterfeld-Wolfen mehrere Produktionsbereiche betreibt. Im Rahmen eines Full-Service-Pakets bietet die CBW ihren Kunden maßgeschneiderte Synthesen und Produkte aus eigenen Technologieentwicklungen sowie zusätzlich alle relevanten zugehörigen Dienstleistungen an. Das umfangreiche chemisch-technologische Equipment ermöglicht zahlreiche Reaktionen und deckt ein umfangreiches Synthesepotential ab. Zum Produktportfolio gehören organische Zwischenprodukte und Wirkstoffe, Farbstoffe und Spezialchemikalien sowie anorganische Produkte, die überwiegend in Auftragssynthese hergestellt werden und Ausgangs- und Zugangsstoffe für Geruchs- und Geschmacksstoffe, Kosmetikprodukte, Pharmazeutika oder Pflanzenschutzmittel sind.
Maren Dannenberg ist die Frau der Organisation. Rechnungen bearbeiten, Termine verwalten, Reisen vorbereiten, Schriftverkehr managen, sind nur einige ihrer Arbeitsfelder.
„Die Arbeit ist toll und vor allem abwechslungsreich. Ich lerne immer wieder neue Dinge.“
So ganz fremd sind ihr chemische Zusammenhänge zudem nicht, denn durch das langjährige Engagement bei der Feuerwehr hat sie natürlich Grundkenntnisse, was chemische Prozesse betrifft.Und natürlich ist sie nach ihrer Rückkehr wieder Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Cobbelsdorf geworden, ebenso wie ihre Kinder.
Ihre Auszeiten gönnt sich die 39-Jährige beim Volleyballspielen und Joggen. Und so hat sich für Maren Dannenberg der familiäre wie auch der berufliche Kreis geschlossen, die Chemie stimmt einfach in jeglicher Hinsicht.

Toralf Nelle – Business Excellence Mitarbeiter und Energiemanagementbeauftragter bei ST Extruded Products Group (STEP-G)
„Ich war auf allen Weltmeeren unterwegs, dann hat es mich doch in meine Heimat Bitterfeld zurückgezogen.“
In seiner Heimat hat Toralf Nelle seit vielen Jahren nun wieder festen Boden unter den Füßen. Er ist Energiemanagementbeauftragter und Business Excellence Mitarbeiter bei STEP-G im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen. Seit 1916 wird in Bitterfeld Aluminium stranggepresst. Diese lange Tradition hatte einen ihrer Höhepunkte in den 1930er Jahren, als in den Werkhallen sechs Strangpressen standen. Mit der Wende wurde die gesamte Produktion still gelegt, die Anlagen waren zu alt und entsprachen nicht dem damaligen Standard.1995 wurden die Weichen für einen Neustart mit einer modernen Presse gestellt. Der vier Jahre später eine zweite folgte. Der Bitterfelder Standort lebte wieder auf und erlebte in der Folge mehrere Eigentümerwechsel. Heute ist der Standort Teil der Unternehmensgruppe von ST Extruded Products Group. Toralf Nelle kam 1998 ins Unternehmen. Sein Weg zu den Aluminiumspezialisten war keineswegs vorgezeichnet, wenngleich seine gesamte Familie sowohl mit dem damaligen Chemiekombinat Bitterfeld als auch mit der Filmfabrik Wolfen tief verwurzelt ist.
Toralf Nelle zieht es nach der Schule aufs Wasser. Er geht zur Handelsflotte der DDR, ist für die Wartung der Schiffsmaschinen zuständig. Das waren sehr spannende und erlebnisreiche Jahre auf den Weltmeeren für den jungen Mann. Doch die Sehnsucht nach dem Heimathafen blieb. „Bitterfeld-Wolfen war und ist meine Heimat. Für mich stand immer fest, irgendwann kehre ich zurück.“ So beginnt er 1991 eine Umschulung zum Elektriker, baut Aufzüge und Backöfen, findet schließlich bei Koninklijke Hoogovens, denen damals das Werk gehörte, eine neue herausfordernde Aufgabe. Er drückt nochmal die Schulbank, macht seinen Industriemeister im Bereich Elektrotechnik und ist zunehmend in Projektarbeiten involviert.
Inzwischen ist er Business Excellence Mitarbeiter am STEP-G Standort Bitterfeld. Als solcher versucht er, Prozesse im Unternehmen zu präzisieren und optimieren. „Dafür muss ich zunächst meine Kollegen erreichen, ihnen klar machen was verändert werden muss und welchen Mehrwert der Kunde und STEP-G davon hat. Erst dann kann die Optimierungsmaßnahme umgesetzt werden. Hier geht es um effektives Arbeiten, die Wertschöpfungskette und termingerechte Produktion.“ Darüber hinaus werden auch ganz alltägliche Dinge, wie beispielweise das Arbeitsklima betrachtet. So wurde auf Anregung von Toralf Nelle die Beleuchtung in den riesigen Werkshallen verbessert: von veralteten Lampen wurde auf LED-Beleuchtung umgestellt. Das spart nicht nur Energie, sondern wirkt sich zudem positiv auf die Arbeitsatmosphäre sowie Zufriedenheit und Sicherheit der Mitarbeiter aus.
120 Mitarbeiter beschäftigt STEP-G am Standort Bitterfeld. Dort werden unter anderem Aluminiumteile für die Automobilindustrie, den Maschinenbau sowie Masten für große Zelte oder Verkleidungen für Fenster gefertigt. Auch auf vielen Skipisten ist ein Stück Bitterfeld unterwegs. Denn für die Schneeketten an den Pistenraupen stammen die Profile aus Bitterfeld. „Unsere Aufgabe ist es, das Aluminium durch Erwärmung und darauffolgend mit hoher Presskraft in Strangpressprofile zu extrudieren. Mittels spezieller Wärmenachbehandlung kann im Anschluss auf die metallurgischen Kundenwünsche eingegangen werden.
Mit Weitblick und dem nötigen Fingerspitzengefühl treibt Toralf Nelle nicht nur Optimierungen bei STEP-G voran, sondern versucht auch die positive Entwicklung mit STEP-G als attraktivem Arbeitgeber in seiner Heimatregion nach außen zu vermitteln. Als begeisterter Hobbyfotograf hat er viele fortschrittliche Entwicklungen in der Region dokumentiert. Toralf Nelle hofft indes weiterhin auf eine Verbesserung des noch immer schlechten Images der Region. „Wenn ich Kunden durch den Chemiepark führe oder mit Ihnen an die Goitzsche fahre, ist manch einer sprachlos. Ich bin stolz darauf, wohin sich unsere Region bereits entwickelt hat.“
Auch privat gehört die Goitzsche für den 50-jährigen zu seinen Lieblingsplätzen. Oft und gern ist er mit dem Rad unterwegs. Und dann ist da noch die Musik, die in seinem Leben eine große Rolle spielt. Rockig muss sie sein. So schön die weite Welt und fremde Kulturen waren, so verbunden und heimatverliebt ist Toralf Nelle nun. Im heutigen Alter kann er die vielen positiven Meilensteine und Verbesserungen der Region betrachten. „Ich persönlich bringe mich für die Weiterentwicklung meiner Heimat ein und hoffe auf einen Wandel in den Köpfen der Menschen.“

Hagen Sandner – Werkleiter der Heraeus Quarzglas Bitterfeld GmbH & Co. KG
„Als Chemiefacharbeiter in Leuna hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich einmal in einem weltweit führenden Unternehmen Werkleiter sein würde.“
Hagen Sandner kann sich noch genau an seine Anfangszeit bei Heraeus erinnern. Als Betriebsingenieur kam er 1996 von Leuna nach Bitterfeld, „gerade als Straße 2 im Werk1 in Betrieb genommen wurde“. Seither ist einiges passiert. Im Sommer wird die Produktion im neu errichteten Werk 3 aufgenommen und Hagen Sandner ist die Karriereleiter stetig hinaufgeklettert, wurde erst Betriebsingenieur, dann Produktionsleiter und dann Werkleiter und darf sich seit 2016 Senior Vice President nennen. Als Standortleiter über drei Werke ist er für 600 Mitarbeiter verantwortlich. Damit zählt die Heraeus Quarzglas GmbH zu den großen Arbeitgebern im Chemiepark.
Die Herausforderung innerhalb kurzer Zeit derart zu expandieren hat der drahtige Mann, der seine berufliche Laufbahn als Chemiefacharbeiter in Leuna begann, mit Bravour gemeistert. Gelungen sei dies gemeinsam mit dem Mutterkonzern „der auch in schwierigen Zeiten immer an uns und unser Verfahren geglaubt hat“, unterstreicht er und verweist auf den zusammenbrechenden Markt am Anfang des Jahrtausends, als Anlagen abgestellt und Menschen entlassen werden mussten. Eine Phase die „nicht einfach“ gewesen sei und die vielleicht größte Herausforderung seiner beruflichen Laufbahn. Der lange Atem und das Durchhaltevermögen haben sich rentiert. Heraeus ist seither kontinuierlich gewachsen. Ein Drittel des Weltbedarfs an hochreinem synthetischem Quarzglas kommt heute aus Bitterfeld und sorgt insbesondere als Glasfaserkabel für schnellen Informationsfluss.
Gemeistert hat der studierte Ingenieur für chemische Technologie die schwierigen Zeiten indes nicht allein mit der Rückendeckung des Stammhauses in Hanau, sondern vor allem auch gemeinsam mit den Fachkräften vor Ort. Denn Sandner ist ein bekennender Teamplayer. Einer, der Kritik ernst nimmt, zuhört, abwägt bevor er Entscheidungen fällt. Heraeus sei ein Global Player und Marktführer bei der Glasfaserherstellung. Wenn man das bleiben wolle, müsse man auf Effizienz setzen; es gelte, Prozesse kontinuierlich zu optimieren, die Produktion schlank zu halten und aus den vorhandenen Rohstoffen ein Optimum an Ausbeute zu generieren. All dies hält Sandner für unabdingbar, allerdings nicht für ausreichend: „Vor allem muss man seine Mannschaft als Team mitnehmen“, unterstreicht er. Wer als Führungskraft nur noch in den eigenen Sphären schwebe, verliere seine Leute und das schade letztlich allen. „Teamgeist und Verantwortung“ sind für Sandner denn auch entscheidenden Stichworte. Denn nur gemeinsam könne man Abläufe gut organisieren. Letztlich gehe es darum „eine Organisation zu entwickeln, die auch ohne einen selbst läuft“, umreißt der verheiratete Vater mittlerweile erwachsener Zwillingssöhne seinen Ansatz. „Erst wenn man gelernt hat abzugeben, ist man perfekt.“
Ein gutes Team zusammenzustellen, an das man delegieren kann, das ist freilich nicht einfacher geworden in den letzten Jahren. Die Frage nach dem Fachkräftenachwuchs treibt Sandner um, – und zwar beruflich wie familiär. Einer seiner beiden Söhne ist ebenfalls Diplom-Ingenieur (für Biotechnologie) geworden, der andere hat den Lehrerberuf ergriffen. Dass beide nicht mehr in der Region zuhause sind, findet Hagen Sandner so bedauerlich wie symptomatisch: „Wir bilden hier sehr gut aus – und dann gehen die jungen Leute weg.“ Dankbar ist Sandner für die Chance, die er hier in Bitterfeld bekommen hat, sich beruflich zu entwickeln, „Als Chemiefacharbeiter in Leuna hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich einmal in einem weltweit führenden Unternehmen Werkleiter sein würde“, sagt er lächelnd. Berufliche Reisen haben ihn nach China, Japan und in die USA geführt; er hat andere Kulturen wie auch Unternehmenskulturen kennengelernt – in der Welt und in Bitterfeld die unterschiedlichsten Erfahrungen gesammelt und bekennt: „Ich lerne immer noch jeden Tag dazu“.
Wenn Hagen Sandner abschalten will, spielt er Gitarre oder läuft. Die Bewegung helfe, den Kopf frei zu kriegen, durchzuatmen, fit zu bleiben. „Denn neben einer Arbeit mit der man sich identifizieren kann, ist doch Gesundheit das wichtigste“, findet er. „Wenn man einen guten Job hat und gesund ist, kann man alles“.

Michael Pratsch – Disponent Werkschutz Securitas Fire Control + Service GmbH & Co. KG Bitterfeld
„„Wer zehn Jahre weg war und heute nach Bitterfeld-Wolfen kommt, traut seinen Augen nicht.“
„Ich schau mir das mal 14 Tage an“, sagte Michael Pratsch Ende 1990 zu seiner Frau. „Das“ war ein Angebot, in den Werkschutz der sich aus dem Chemiekombinat Bitterfeld bildenden Chemie AG einzusteigen. Wenige Wochen vorher hatte der ab 1982 im Betrieb ausgebildete Elektromonteur, der im Netzbetrieb arbeitete, mit der ersten großen Entlassungswelle einen blauen Brief bekommen.
„Das war bitter, denn die Arbeit hat mir sehr viel Spaß gemacht“, sagt Micheal Pratsch. Die Chance, damals im gelernten Beruf in der Region eine andere Stelle zu finden, war praktisch gleich null. Also startete Michael Pratsch am 1. Januar 1991 die umfassende und auch fordernde Ausbildung zum Werkschützer, die zwei Jahre später in der bestandenen IHK-Prüfung mündete.
Aus dem Arbeitsplatzangebot sind nun 27 Arbeitsjahre geworden. „Ich habe mittlerweile fast alle Qualifikationen, die man im Sicherheitsgewerbe haben kann“, sagt Michael Pratsch. Und die Lust, am nächsten Tag in der Leitstelle der Securitas Fire Control + Service GmbH & Co. KG Bitterfeld seinen Posten als Disponent des Werkschutzes auszufüllen, ist nicht geringer geworden.
Das Herz des Sicherheitsdienstleisters schlägt im ersten Stock der Feuerwache Süd an der Zörbiger Straße. Hier findet sich die rund um die Uhr besetzte Leitstelle, in der jeweils ein Disponent für die Feuerwehr und einer für den Werkschutz sitzt. Wochentags sind die Schichten acht Stunden lang, am Wochenende zwölf. Hier laufen alle Informationen zusammen, werden die Einsätze für die 25 Werkschützer und die knapp 20 diensthabenden Feuerwehrleute koordiniert. „Unsere Leitstelle ist der Dreh- und Angelpunkt des Unternehmens“, formuliert Michael Pratsch. „Wir koordinieren und organisieren, bearbeiten Kundenaufträge, haben den ersten Kontakt mit Kunden, wenn es etwas zu tun ist oder etwas zu klären gibt.“
Dem Dienstleistungspaket „Sicherheit für die Unternehmen“ sind kaum Grenzen gesetzt: Securitas übernimmt den Werkschutz, investiert bei Bedarf in Sicherheitstechnik und Räumlichkeiten für das Personal. „Unser Ziel ist es, den Partnern Mitarbeiter und Technik als integrierte Sicherheitslösung in dem Umfang bieten zu können, den sie benötigen“, so Michael Pratsch. Die Zusammenarbeit mit den Kunden ist eng.
Prävention steht dabei an erster Stelle. In kaum einer anderen Branche nehmen Schutz von Mensch, Umwelt und Technik sowie Schadensvermeidung einen so hohen Stellenwert ein wie in der chemischen Industrie. „Die Firmen sollen sich um ihr Kerngeschäft kümmern. Bei allem anderen können wir ihnen helfen“, betont Michael Pratsch.
„Die Arbeit ist abwechslungsreich, kein Tag ist wie der andere“, sagt Michael Pratsch, jeder Tag sei eine neue Herausforderung. Mit der Zeit wurden die Arbeitsbedingungen einfacher, mehr und mehr innovative Technik unterstützt die Werkschützer heute. Der klassische Pförtner hat ausgedient, stattdessen sind beispielsweise Einbruchmeldeanlagen, Videoüberwachungsanlagen und elektronische Zutritt-Systeme in die Sicherheitskonzepte integriert.
Eine andere Arbeit kam für ihn nie in Frage. Ein Wohnortswechsel ebenfalls nicht, auch wenn es lukrative Angebote gab. „Ich bin sehr heimatverbunden, bodenständig, hier fühle ich mich wohl“, sagt der 52-jährige Vater einer Tochter. Die 1990er seien an niemandem in der Region spurlos vorüber gegangen. Viele verloren die Arbeit, zogen weg, der Arbeit hinterher. Abriss und Betriebsschließungen dominierten den Alltag. Erst mit der zweiten Privatisierung des Chemieparks änderte sich das grundlegend.
„Wer zehn Jahre weg war und heute nach Bitterfeld-Wolfen kommt, traut seinen Augen nicht“, ist sich Michael Pratsch sicher. „Der grüne Chemiepark, intakte Natur, moderne Fabrikgebäude, viele Arbeitsplatzangebote: die Region bietet Zukunft.“ Seine nicht ganz ernst germeinte Vision, dass in vielleicht 20 Jahren ein „Bad“ vor dem Stadtnamen Bitterfeld-Wolfen steht, ist gar nicht so unrealistisch.

Silvia Bradler – Geschäftsführerin der Infrastrukturgesellschaft Bitterfeld-Wolfen mbH
„Ich bin in der Region Bitterfeld-Wolfen groß geworden, daher habe ich stets den Vergleich vor Augen, wie es früher aussah und jetzt. Der Wandel ist unglaublich.“
Silvia Bradler hat den Wandel nicht nur erlebt, sie hat ihn mitgestaltet. Sie kennt sich aus im Chemiepark, weiß in welche Straße und Rohrbrücke und in welche Leitungen im Erdreich investiert wurde. Denn als Geschäftsführerin der Infrastrukturgesellschaft Bitterfeld-Wolfen mbH hat sie maßgeblich an der Modernisierung des traditionellen Chemiestandortes mitgewirkt. Zudem gehört sie seit neun Jahren zum Team der Thermischen Restabfallbehandlungsanlage Bitterfeld bei der PD energy GmbH.
In Wolfen geboren, in Bitterfeld aufgewachsen, ist sie mit der Chemie groß geworden. „Die Akzeptanz war eigentlich immer da, sicher auch geprägt durch das Elternhaus.“ Und doch zieht es die junge Frau nach dem Abitur zunächst in die Landwirtschaft nach Schlaitz. Ein Jahr arbeitet sie dort, macht ihren Facharbeiter, möchte dann Veterinärmedizin studieren. Doch es kommt anders. Familienplanung und die lange Studienzeit lassen sie umdenken. Und so beginnt sie an der TH Leuna-Merseburg Betriebswirtschaft zu studieren. Mit einem Diplom in der Tasche kehrt sie zurück nach Bitterfeld, beginnt in der Forschungsabteilung des Chemiekombinates zu arbeiten. „Hier habe ich unter anderem Preise für Farbstoffe und Zwischenprodukte kalkuliert, die der Preisplanungskomission zur Bestätigung eingereicht werden mussten. Denn zu DDR-Zeiten erhielten die gleichen chemischen Produkte, egal an welchem Standort sie produziert wurden, einheitliche Preise.“
Mit der Wende beginnen auch für Silvia Bradler turbulente Umbruchsjahre. Sie erlebt Monate mit Kurzarbeit, absolviert Praktika in Hildesheim und bei Bayer in Leverkusen. „Mein Ziel war es, mit meinem beruflichen Wissen etwas Kreatives zu machen.“
1993 beginnt sie bei der Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Hier sind ihr gutes Verständnis für Zahlen, ihr Organisationstalent, ihre Zielstrebigkeit gefragt. „Wir haben damals viel gelernt, es war eine gute Schule.“
Bei der EWG war die heute 59-Jährige verantwortlich für die Fördermittel- und Finanzierungsberatung von Existenzgründern. „Wir haben die Wege geebnet, um hier am Standort und im Chemiepark Neuansiedlungen voranzubringen.“ Noch gern erinnert sie sich an die Erschließung des Gewerbeparks Heideloh an der Autobahn 9 und des Gewerbegebietes Thalheim. Ihr Büro teilte sie sich damals mit dem heutigen Oberbürgermeister Armin Schenk. „Er war für den technischen Part zuständig, ich war die Frau fürs Geld.“
Dann folgt ein Mammutprojekt. Die komplette Erschließung des Chemieparks Bitterfeld-Wolfen. Eigens dazu wird 1998 als Tochtergesellschaft der EWG die Infrastrukturgesellschaft gegründet. Silvia Bradler erhält die Prokura, wird später Geschäftsführerin. „Wir hatten ein Investitionsvolumen von 232 Millionen Euro umzusetzen.“ Mit diesem Geld wurden alte Anlagen rückgebaut, Straßen und Versorgungsleitungen erneuert, Rohrbrücken und Bahnübergänge saniert. Für Silvia Bradler eine spannende wie auch arbeitsreiche Zeit.
„Im Sommer 2007 wurde die letzte Baumaßnahme dieses Projektes abgeschlossen.“ Nach einer 10-jährigen Zweckbindungsfrist wird der Abschlussbescheid zum Förderprojekt in 2018 erwartet.
Silvia Bradler konnte sich neuen Herausforderungen stellen, ist seit 2009 bei der PD energy GmbH. Das Kraftwerk hat 2010 den Regelbetrieb aufgenommen. 25 Männer und zwei Frauen arbeiten hier. „Man weiß sich durchzusetzen“, sagt die Ökonomin selbstbewusst. Im kaufmännischen Bereich der Kraftwerksleitung ist sie unter anderem für die Disposition und Abrechnung zuständig. Sie ist eine Frau der Zahlen geblieben. In der Anlage werden rund um die Uhr Restabfälle verbrannt. 130.000 Tonnen im Jahr. Mit dem erzeugten Strom und Dampf werden die Unternehmen im Chemiepark versorgt, zudem geht ein Teil der Fernwärme an die Haushalte der Stadt Bitterfeld. Wenn Silvia Bradler ihr Büro in der 5. Etage verlässt, führt sie ihr Heimweg nach Schlaitz. Dort warten Mann, Haus und Garten auf sie. Inspiriert vom Wörlitzer Gartenreich und dem holländischen Blumenpark Keukenhof hat sie sich ihr eigenes kleines Paradies geschaffen, mit Tulpeninseln und Sichtachsen. Und dienstags, da muss sie immer pünktlich nach Hause fahren. Dann ist Oma-und-Opa-Tag. Die drei Enkel sind ihr ganzer Stolz.

Uwe Holz – Leiter Kreismuseum Bitterfeld und Industrie- und Filmmuseum Wolfen
„„Wir sind eingebunden in diverse Wirtschaftsräume, unter denen wir gelitten, und von denen wir später profitiert haben. Das spricht für Weltoffenheit. Einmauern ist keine vernünftige Alternative.“
Der Weg von Friedersdorf zum Industrie- und Filmmuseum Wolfen an der Bunsenstraße ist abwechslungsreich. Zunächst führt die Straße zwischen Goitzschesee und der Alten Mulde entlang, dann durch den alten Ortskern Bitterfelds. Im letzten Stück durchquert man Teile des Chemieparks Bitterfeld-Wolfen. Natur und Industrie, renovierte Altbauten und neue Fabrikgebäude.
Das ist der tägliche Arbeitsweg von Uwe Holz. Kein Vergleich zum Zustand im März 1992, als Uwe Holz seine Stelle als Leiter des Kreismuseums Bitterfeld angetreten hat. „Eine Riesenleistung, wie umfassend und wie schnell die Region wieder in einen ökologisch akzeptablen, lebenswerten Zustand gebracht wurde“, sagt der laufbegeisterte Mann mit dem Rauschebart, der in Friedersdorf wohnt.
Klimaveränderung, Ressourcenverschwendung, Grundwasserbelastung: Rohstoffe für unseren täglichen Konsum werden irgendwo auf der Welt unter zum Teil haarsträubenden Umständen aus der Erde geholt, Arbeitskräfte vernutzt, ihre Gesundheit interessiert keinen. „Unsere Region zeigt, dass ein Umlenken möglich ist. Nicht umsonst haben wir so häufig chinesische Delegationen bei uns.“
Uwe Holz ist kein Verzichtsprediger. Es gelte aber, in viel stärkerem Maße zu überlegen, wie Ressourcen nachhaltig genutzt werden können. „Gerade die Chemie ist in der Lage, einen erheblichen Beitrag zum sinnvollen Umgang mit der Welt zu leisten, etwa durch Wiederverwertung, Aufarbeiten des Gebrauchten.“
Aufarbeiten ist auch die Aufgabe für Uwe Holz: Die Geschichte der Region und ihrer Menschen in ihrem Werden zu begreifen. Lebenswirklichkeit – die guten und die schlechten, die kleinen und die großen Dinge – aufzuschreiben und in Ausstellungen darzustellen. „Auf dass wir daraus gescheit werden.“ Das gilt auch für die letzten, erfolgreichen Jahre. „Wir sind eingebunden in diverse Wirtschaftsräume, unter denen wir gelitten, und von denen wir später profitiert haben. Das spricht für Weltoffenheit. Einmauern ist keine vernünftige Alternative.“
Bitterfeld war die erste Berufsstation von Uwe Holz, aufgewachsen im Schwarzwald und Rheinhessen, studiert an der Uni Kiel und mit familiärem Hintergrund in der DDR. „Die schiere Neugier trieb mich“, bekennt er, „die Region steht stellvertretend für ein Stück Zivilisationsgeschichte mit all den Irrwegen“. Und er ist immer noch hier, auf der „langen Entdeckungsreise“, die ihm immer wieder „unglaubliche Biografien und Geschichten“ bietet.
Der 55-Jährige versucht unvoreingenommen Geschichte und Personen aus ihrer Zeit heraus zu begreifen. „So verschieden die Menschen sind, so verschieden sind die Leben.“ Oft hat er sich schon fremdgeschämt, wenn selbstgerechte „Wessis“ den Einheimischen erklären wollten, wie ihr Leben, wie die DDR wirklich funktioniert habe.
Was macht die Menschen hier aus? Uwe Holz findet es „verdammt schwierig, etwas Allgemeingültiges zu sagen“. Aber: Die Generation, die Bitterfeld und Wolfen trotz aller Mängel am Laufen hielt, „zeichnet sich durch eine sehr hohe Verbundenheit mit der Arbeit aus. Wenn es beispielsweise darum ging, zu einem bestimmten Datum eine Anlage in Betrieb zu nehmen, dann kämpften sie wie die Löwen“. Nicht wegen des 7. Oktobers und auch nicht zum Ruhme des Sozialismus. „Was zählte, war der Erfolg der Abteilung, die Leistungsfähigkeit des Betriebs, das gemeinsame Überwinden von Hindernissen“, formuliert Uwe Holz, „letztlich verstanden sie sich als deutsche Ingenieure und Facharbeiter“.
Die Nachwendegeneration hat mit dem neuen Gesellschaftssystem zu einer eigenen Mentalität gefunden, die freilich nicht so weit entfernt von der ihrer Mütter und Väter ist. „Geträumt wird hier nicht, Pragmatismus und beinharter Realismus zählen.“ Das hilft im Leben, denn Erwartungen, die es nicht gibt, können nicht enttäuscht werden.
26 Jahre arbeitet Uwe Holz nun schon in Bitterfeld-Wolfen, hat hier mit seiner Frau drei Kinder großgezogen, sich eine sehr intime Kenntnis der Region erarbeitet, „der Werkzeugkoffer ist immer größer geworden, es gibt immer wieder Neues zu entdecken“. Zurzeit arbeitet er an einer Studie über die Zeit nach dem 1.Weltkrieg, von der er sich wieder neue Erkenntnisse verspricht.

Dr. Harald Rötschke – Geschäftsführer der MDSE Mitteldeutsche Sanierungs- und Entsorgungsgesellschaft mbH
„„Die Gegend hat sich sehr gut entwickelt. Dank der Goitzsche ist das Lebensgefühl ein ganz anderes.“
Wenn Dr. Harald Rötschke erzählt, kommt das Gespräch schnell auf das Thema Wasser. Kein Wunder, schließlich steht das Grundwassers in der Region häufig im Mittelpunkt der Projekte der MDSE Mitteldeutsche Sanierungs- und Entsorgungsgesellschaft mbH Bitterfeld, deren Geschäftsführer der 61-Jährige ist.
Seit 1999 begleitet der Manager die Sanierung des Standortes in Bitterfeld und in anderen Regionen Sachsen-Anhalts mit der MDSE. Seit dem hat das Unternehmen eine ganze Reihe von Projekten in gigantischer Größenordnung umgesetzt. Dr. Rötschke nennt etwa den Rückbau der Chloralkali-Elektrolysen. Tonnenweise sei das hochgiftige Quecksilber im Boden gewesen. Zum Glück gab und gibt es am Standort Experten mit hervorragendem Chemiewissen, „so konnten wir sehr gute und hocheffiziente Verfahren zur Sanierung einsetzen“.
Übrigens stammen die Altlasten am Standort nicht alle aus der DDR-Zeit. Da gab es etwa gefährliche Arsen-Phosphor-Gemische, die bereits während des 2. Weltkriegs in den Boden gelangten und lediglich überschüttet worden waren. „Bei dem aufsteigenden Grundwasser der Goitzsche war das zukünftige Erholungsgebiet bedroht“, berichtet Dr. Rötschke. Rechtzeitig wurden die Stoffe gesichert, chemisch behandelt und immobilisiert in einer Untertage-Deponie entsorgt. Auch hier haben Fachleute aus der Region akribisch am Verfahren gearbeitet und effiziente Lösungen gefunden.
„Die Grundwassersanierung am Standort ist ein komplexes Vorhaben“, fasst der Geschäftsführer zusammen. Doch nicht nur die. Auf der gigantischen Fläche von insgesamt 1.300 Hektar galt es etwa, Deponien stillzulegen. Dabei wurden die Vorschriften und Auflagen im Laufe der Zeit immer schärfer.
Mit den Vorgaben für Großprojekte kennt sich der heutige MDSE-Geschäftsführer bestens aus. Denn bevor er zur Sanierungsgesellschaft kam, betreute er die Bereiche Umweltschutz und Altlasten bei der Treuhandanstalt. Er überwachte die diesbezüglichen vertraglichen Verpflichtungen vor allem in Sachsen und Thüringen, war aber auch mit den insgesamt 1.700 Deponien in den Neuen Ländern beschäftigt. „Es ging immer um große Zahlen“, erinnert sich der Manager. Allein die Großprojekte in Sachsen-Anhalt hatten ein abgezinstes Volumen von zwei Milliarden D-Mark.
Doch Zahlen und Verträge sind nicht alles. „Ich bin Bergmann“, sagt Dr. Rötschke mit hörbarem Stolz. Er erzählt von seinem Bergbau-Studium, zu dem es ihn nach Berlin verschlagen hat und von der anschließenden Dissertation. Für die Doktorarbeit kümmerte er sich um das Bergwerk Auguste Victoria im Ruhrgebiet, entwickelte ein Programm zur langfristigen Abbaureihenfolge-Planung.
Die Probleme im Ruhrgebiet und im Chemiedreieck sind für den Experten nur schwer zu vergleichen, denn: „Der Pott ist mit seinen mehreren tausend Quadratkilometern ganz anders dimensioniert, hier in Bitterfeld ist alles gedrängter und intensiver.“ Besondere Herausforderungen entstehen hierzulande durch die Jahrzehnte der Chlorchemie und mit den angegliederten Produktionsverfahren. „Das ist hier wie eine Chemie-Apotheke mit 5.000-6.000 verschiedenen Stoffen“, umschreibt Dr. Rötschke.
Doch das Fazit fällt für ihn ganz klar positiv aus. „Die Gegend hat sich sehr gut entwickelt“, sagt der Geschäftsführer und blickt aus dem Fenster seines Büros, wo die ersten Knospen an den Bäumen sprießen. „Wir haben hier keine Probleme mit der Luftbelastung, weil viele Industrieanlagen nach allerneusten Anforderungen neu entstanden sind.“ Auch die Grundwasserbelastung haben die MDSE-Fachleute im Griff. Und Wasser über der Erde spielt auch eine große Rolle für die Region: „Dank der Goitzsche ist das Lebensgefühl ein ganz anderes.“ Dr. Rötschke freut sich, dass die Bitterfelder heute über die Promenade flanieren und in den Restaurants das Leben genießen, oder durch das Naturschutzgebiet rund um das Gewässer radeln. Im Privatleben des MDSE-Geschäftsführers spielt Wasser übrigens auch eine wichtige Rolle. Am liebsten entspannt er im Urlaub mit seiner Frau beim Segeln auf dem Mittelmeer oder auf der Ostsee.

Dr. Jörg Blumhoff – Geschäftsführer ORGANICA Feinchemie GmbH Wolfen
„Wir müssen die enormen Leistungen, die hier seit der Wende vollbracht wurden, gemeinsam noch viel stärker nach außen tragen.“
Auf einmal ging es ganz schnell: Von der Einladung zum Vorstellungsgespräch durch Geschäftsführer Dr. Bodo Schulze bis zur Unterschrift unter dem Arbeitsvertrag dauerte es nur knappe 48 Stunden. Im Sommer 2012 verpflichtete die ORGANICA Feinchemie GmbH Wolfen mit Dr. Jörg Blumhoff einen neuen Mitarbeiter im Bereich Marketing und Verkauf. Seit Anfang 2017 ist der Thü¬ringer Geschäftsführer der 1995 gegründeten Firma, die aus dem „Betrieb Zwischenprodukte“ der Filmfabrik Wolfen entstand.
„Die Aufgabe im Marketing und Verkauf war interessant und herausfordernd für mich“, sagt Jörg Blumhoff. Im Fokus lag vor allem die Geschäftsentwicklung des in der Branche namhaften Mittelständlers mit einem breiten Produkt- und Verfahrensspektrum. Die Lage an einem traditionellen Chemiestandort passte dem gebürtigen Saalfelder gut ins Konzept. Und die Stelle kam zur rechten Zeit nach dem Studium der Chemie an der Universität Jena und einem zweijährigen Forschungsaufenthalt in den USA als Postdoktorand.
ORGANICA führt für Kunden in aller Welt Auftragssynthesen durch: Hier entstehen zum Beispiel hochveredelte Feinchemikalien für die chemische Industrie, die Elektronik- oder Kunststoffbranche. Auch Pharma-Zwischenprodukte, die später Teil eines Wirkstoffes werden. Zudem gehört eine Vielzahl von Farbstoffen für die Fotoindustrie, aber auch für spezielle Solarzellen, Laseranwendungen, Haarfärbemittel und für die medizinische Diagnostik zum Portfolio des Unternehmens mit heute 90 Beschäftigten.
Alles in allem sind das etwa 500 verschiedene Produkte. Produziert wird von wenigen Gramm im Jahr bis in den zweistelligen Tonnen-Bereich. Und immer wieder kommen durch die Kompetenz und das Know-how der Wolfener und entsprechende Kundenanfragen neue Exklusivprodukte hinzu. „Genauso hat Dr. Schulze das Geschäftsmodell entwickelt und auf diese Weise führe ich es weiter“, bekennt Jörg Blumhoff. Die breite Aufstellung hilft auch bei konjunkturellen Schwankungen.
Mit seinem Wechsel vom Forschungslabor in die industrielle Praxis war für den ledigen Vater eines Kindes jede Menge „learning by doing“ angesagt, tatkräftig unterstützt von den Mitarbeitern und vom Chef. „Dr. Schulze hat mich früh in alle Aufgabenstellungen eingebunden. Wir haben schnell gemerkt, dass wir in vielen Dingen einer Meinung sind“, berichtet der Enddreißiger. Unterschiedliche Meinungen wurden ausdiskutiert; auch das führt zur Weiterentwicklung.
„Das Geschäftsmodell als flexibler Lohnproduzent passt bestens in die heutige Zeit“, erklärt der Geschäftsführer: „Viele Kunden suchen nach Partnern wie uns, die stabil hohe Qualität produzieren, pünktlich liefern, rasch und flexibel neue Verfahren aus dem Technikum in die Produktion überführen können.“ ORGANICA ist so kontinuierlich gewachsen und hoch¬profitabel.
Das soll auch so bleiben. Zu diesem Zweck ist noch ein Forschungsmitarbeiter eingestellt worden, wird das Investitions- und Modernisierungsprogramm „mit Augenmaß behutsam vorangetrieben“, so Jörg Blumhoff. Ein neues Lösungsmittellager, zwei neue Reaktoren, das Tanklager, ein Videoüberwachungssystem sowie die thermisch-regenerative Abluftverbrennungsanlage sind schon in Betrieb. Vier weitere moderne, flexibel einsetzbare Reaktoren folgen.
Jörg Blumhoff, der bei Städtereisen, Lesen und Kochen entspannen kann und „schöne Momente sammelt“, ist dankbar für den Zufall, der ihn nach Bitterfeld-Wolfen geführt hat. Auch, wenn bei der vielen Arbeit das Motorradfahren schon seit langem zu kurz kommt. Die berufliche Herausforderung hat ihn gänzlich gepackt – wie auch die Region, die Menschen, ihr Einsatz für die Firma, ihr Arbeitsethos. „Meine Vorurteile konnte ich ganz schnell ablegen“, sagt er, leider sei das von früher herrührende schlechte Image bundesweit immer noch virulent. „Wir müssen die enormen Leistungen, die hier seit der Wende vollbracht wurden, gemeinsam noch viel stärker nach außen tragen“, betont Jörg Blumhoff, der auf einen positiven Schub durch das 125-jährige Jubiläum der Chemieregion setzt.

Nadine Straube – Assistentin der Werkleitung, AkzoNobel Industrial Chemicals GmbH
„Mit AkzoNobel habe ich für mich den idealen Arbeitgeber gefunden.“
Nadine Straube ist 33 Jahre jung und seit zehn Jahren Assistentin der Werkleitung bei AkzoNobel. Ihr Job hat so gar nichts mehr mit dem Berufsbild einer Sekretärin von früher zu tun. „Die Arbeit ist viel anspruchsvoller geworden. Ich werde tagtäglich gefordert aber auch gefördert.“
Ihr beruflicher Weg begann mit einer Lehre zur Bürokauffrau im Waggonbau Halle Ammendorf. Als das Werk geschlossen wurde, ging sie auf Jobsuche und begann zunächst über eine Bitterfelder Zeitarbeitsfirma bei AkzoNobel. Sie überzeugte mit ihrem Können und bekam ein Jahr später einen unbefristeten Arbeitsvertrag. „Ich habe mich hier gleich sehr wohl gefühlt, alles wirkte seriös und sehr modern.“ Somit wurde sie Teil des 80-köpfigen Teams bei AkzoNobel. „Das ist für mich eine ideale Betriebsgröße, in einer kleineren Firma hätte ich mich wahrscheinlich nie so wohl gefühlt.“ Man kennt sich untereinander, mit vielen Kollegen sei man per „du“.
Neben ihrer „normalen“ Arbeit hat die Mutter einer Tochter im Sicherheitsmanagement des Unternehmens Verantwortung übernommen. Sie ist Vorsitzende von BBS. Hinter dem Kürzel versteckt sich ein gut durchdachtes Sicherheitskonzept. Dabei kontrollieren sich die Mitarbeiter gegenseitig, indem einer den anderen bei seinen Arbeitsabläufen beobachtet. Da geht es beispielsweise darum zu beurteilen, ob der Mitarbeiter sicher die Treppen an den Anlagen hinauf- und hinuntergeht, ob er auf die gekennzeichneten Wege achtet oder richtig mit Werkzeugen umgeht. Insgesamt 5.620 solcher Begleitungen durch die Mitarbeiter untereinander gab es in den vergangenen zehn Jahren, weist die Statistik aus.
Zu Nadine Straubes Aufgaben gehört zudem die regelmäßige Kontrolle der Notduschen die auf dem gesamten Werkgelände stehen. Schließlich wird hier mit gefährlichen Stoffen wie Chlor und Natronlauge gearbeitet.
Zu Hause ist die junge Mutter in Zwintschöna im Saalekreis. Die vierzig Minuten Arbeitsweg nimmt sie gern in Kauf. Gartenarbeit und Wandern bieten ihr einen Ausgleich zum Arbeitsalltag. Obwohl sie tagtäglich für ihre Firma da ist, hat sie an einem Tag im Jahr immer Urlaub. Und das ist um den 20. September, dann ist Hirschbrunft. „Das ist so ein tolles Erlebnis, wenn man im Wald steht und die Hirsche hört. Das lasse ich mir kein Jahr entgehen.“ Und dann ist da auch noch ihre fünfjährige Tochter Jolina-Maya, die natürlich auch Zeit mit ihrer Mama einfordert. Ein erfülltes Berufsleben und Zeit für sich und die Familie. Das ist Glück.

Kenji Shirai – Geschäftsführer Hi-Bis GmbH Bitterfeld & Dr. Wolfgang Greiner – Betriebsleiter und stellvertretender Geschäftsführer Hi-Bis GmbH
„Wir haben eine Aufgabe gestellt bekommen und die erfüllen wir gemeinsam mit all unserem Wissen und Können. Die Grundlage dafür
bietet uns der Chemiepark.“
Vor dem Eingang zum Verwaltungstrakt der Bitterfelder Hi-Bis GmbH steht ein kleiner japanischer Kirschbaum. Ein winziges Stück zu Hause für Kenji Shirai, den Geschäftsführer des Unternehmens mit 55 Beschäftigten. Eine Möglichkeit, auch in Sachsen-Anhalt Hanami zu feiern, das traditionelle Kirschblütenfest, das etwa zehn Tage, so lange die Blüte währt, nahezu alle Japaner ins Freie lockt, um die warme Jahreszeit und die erwachende Natur zu begrüßen.
Die Blüte der Bäume, die keine essbaren Früchte tragen, gilt als Fest der Schönheit, aber auch als Erinnerung an die Vergänglichkeit des Seins, fallen die Blüten doch nach längerem Reifen im Moment ihrer größten Pracht. Im Gegensatz zur raschen Kirschblüte ist es Kenji Shirais Aufgabe, „das Unternehmen möglichst immerwährend gesund und wachsend, im blühenden Zustand“ zu erhalten.
Das ist dem 62-Jährigen gelungen, wie auch seinen Vorgängern und all den Beschäftigten, die mit der Planung und dem Bau der Fabrik den Grundstein für den Erfolg legten etwa Dr. Wolfgang Grei-ner. Der Verfahrenstechniker ist seit 2002 im Unternehmen und trägt seit Inbetriebnahme 2004 als Betriebsleiter Verantwortung für die Produktion.
Er kennt die Fabrik in- und auswendig, langweilig wird ihm die Arbeit nie. Am Anfang war es der „schwierige Technologietransfer“ von der Muttergesellschaft Honshu Chemical Industry aus dem japanischen Wakayama, der ihn vor Herausforderungen stellte, später etwa Planung, Konzeption und der frist- und budgetgerechte Bau der zweiten Anlage. „Aber auch das Tagesgeschäft ist nicht ohne“, sagt Greiner.
Hi-Bis produziert Bisphenol-Trimethylcyclohexan für den Werkstoff-Spezialisten Covestro, früher Bayer Material Science. Das weiße Pulver ist der Ausgangsstoff für den besonders wärmebeständigen Hightech-Kunststoff Apec® HT. Zunächst wurden mit einer Anlage 5.000 Tonnen im Jahr produziert, ab 2014 kam eine zweite mit 6.000 Tonnen Kapazität hinzu, heute sind es über 11.000 Tonnen. Hi-Bis ist von Anfang an stets gewachsen. Zunächst jährlich um zehn Prozent, seit 2008/09 immer um etwa acht Prozent.
„Wir haben eine Aufgabe gestellt bekommen und die erfüllen wir gemeinsam mit all unserem Wissen und Können. Die Grundlage dafür bieten uns die ausgezeichneten Bedingungen im Chemiepark“, sagt Kenji Shirai, der tief geprägt ist von der Arbeitsethik seiner Heimat. Das über Jahre eingespielte Team hat am Erfolg genauso Anteil wie die höfliche, aber bestimmte Art des Geschäftsführers.
Und natürlich Wolfgang Greiner. Der gebürtige Thüringer, der über Guben in den 1980ern in die Region gelangt war, hatte vor seinem Einstieg bei Hi-Bis lange Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Köthen verbracht. In den 1990ern wechselte er in die Industrie, in verantwortliche Positionen bei der Uhu GmbH in Wolfen und Bühl.
„Ich wollte unbedingt wieder in der Region leben und arbeiten“, begründet Greiner den Wechsel zu Hi-Bis. Wegziehen aus der Wahlheimat Dessau mit dem reichen kulturellen Umfeld zwischen Bauhaus, Theater und Wörlitzer Park kam nicht in Frage. Natürlich lockte ihn auch der Reiz des Neuen.
„Auch ich fühle mich hier sehr wohl. Hier bin ich umgeben von gleichgesinnten Fachleuten“, sagt Kenji Shirai. Er schätzt die „sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit am Standort und die „sehr hart arbeitenden Menschen“. Privat fühlt sich Kenji Shirai in der quirligen Großstadt Leipzig „sehr gut integriert“, lobt als kulturell Interessierter vor allem das vielfältige Angebot an klassischer Musik.
Ein Großteil des Arbeitslebens von Kenji Shirai spielte sich im Ausland ab. Zwei Jahre Algerien, zehn Jahre Thailand, ein halbes Jahr Bulgarien und in Bitterfeld ist er mittlerweile auch schon fast fünf Jahre. Natürlich, sagt er, sehne er sich manchmal nach dem Zuhause in der ländlichen Präfektur Aichi, gelegen zwischen Nagoya und Tokio im Zentrum Japans, eingebettet zwischen hohen Bergen und pazifischen Stränden. Zufrieden ist er dennoch, denn Kenji Shirai trägt die Heimat vor allem im Herzen. Oder findet sie in alltäglichen Dingen wie einem jungen Kirschbaum.

Patrice Heine – Geschäftsführer der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen GmbH
„Am Ende geht es darum, das Leben mit all seinen dynamischen Prozessen anzunehmen. Wer könnte das besser als die Menschen hier vor Ort, die schon einmal einen schwierigen Anpassungsprozess erfolgreich gemeistert haben?“
Er wurde im Osten Deutschlands geboren, reiste noch zu DDR-Zeiten als Jugendlicher mit seiner Familie in den Westen aus, hat im Norden und im Süden der Republik gelebt, in Cottbus studiert, seine Doktorarbeit in den USA geschrieben und an Projekten auf dem Balkan, in Polen, Nordafrika und der Golfregion gearbeitet. Inzwischen ist Patrice Heine allerdings sesshaft geworden. Ganz bewusst hat sich der 1972 geborene Diplom-Ingenieur für Umwelt- und Verfahrenstechnik dafür entschieden, vom Ruhrgebiet nach Sachsen-Anhalt zu ziehen und mit der neuen Arbeitsstelle als Geschäftsführer des Chemieparkes auch eine neue Heimat zu finden. Ganz oder gar nicht lautete die Devise und Heine hat sich für „ganz“ entschieden. Denn am Standort Bitterfeld sei „etwas Cooles“ entstanden, findet er. Etwas, dass sich in den 90er Jahren kaum jemand hätte vorstellen können. Etwas, dass tatsächlich – jenseits aller blumiger Rhetorik – die Versprechen von den „blühenden Landschaften“ einlöse. Etwas, auf das man stolz sein könne, auch wenn es ein bisweilen schmerzhafter, mit Opfern verbundener Prozess bis dorthin war.
Die vielfältigen Erfahrungen in unterschiedlichen Ländern, Kulturen und Gesellschaftssystemen hätten sicherlich zu dieser Einschätzung beigetragen, konstatiert der große, schlanke Mann mit den wachen braunen Augen. Es verändere die Perspektive, mache flexibler, „zufriedener, mit dem was man hat“. Letztlich trage es dazu bei, „Probleme mutiger und zuversichtlicher anzugehen“. Dass Patrice Heine dabei durchaus neue Wege einschlägt, starre Grenzen überschreitet und versucht vermeintliche Gegensätze zu überwinden, zeigt er nicht zuletzt bei seinem ehrenamtlichen Engagement für Umwelt und Natur. Chemieparkleiter und Umweltschützer zugleich zu sein, ist für ihn kein Gegensatz. Heine ist fest davon überzeugt, dass die aktuelle Herausforderung darin besteht, „zwischen beiden Bereichen so zu vermitteln, dass man miteinander leben kann.“ Sicher hätten 125 Jahre Industriegeschichte in der Region starke Schäden hinterlassen. „Aber heute ist die Mulde einer der lebendigsten deutschen Flüsse und ein Paradebeispiel dafür, was man erreichen kann.“ Was in der Region entstanden sei, könne beispielgebend wirken und als Modell vielleicht sogar exportiert werden, wenn man weiter konsequent daran arbeite, sagt er mit Blick auf die Umweltprobleme in China.
Immer noch gelte es hierzulande zwar, ideologische Gräben zu überwinden, doch das könne gelingen. Hier sieht Heine vor allem die Politik gefordert, jenseits von Beeinflussung durch Lobby-Gruppen, Pflöcke einzuschlagen und langfristige Leitlinien zu entwickeln. Was er selbst beitragen kann zur Vermittlung, leitet Patrice Heine in die Wege. Dass die Chemiepark Bitterfeld-Wolfen GmbH eine feste Partnerschaft mit dem Naturparkträgerverein Dübener Heide eingegangen ist, ist seiner Initiative zu verdanken. Jährlich nehmen Mitarbeiter von bis zu sieben am Standort ansässigen Unternehmen bis hin zum Weltmarktführer Heraeus Quarzglas Bitterfeld GmbH & Co. KG an den Aktions- und Erlebnistagen im Naturpark Dübener Heide teil. Beschäftige lernten so nicht allein die Region und die Naturparkanliegen besser kennen, „das Engagement trägt auch enorm zur Standort- und Mitarbeiterbindung und natürlich zur Teambildung bei“. Patrice Heine selbst nennt die Dübener Heide heute sein Zuhause. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern auf einem ausgebauten Gehöft am Waldrand in der Nähe von Bad Schmiedeberg. Auch das gehöre zu den Freiräumen, die diese Region biete, findet er.
Was er sich wünscht für die Zukunft sind „mehr Menschen, die vorhandene Freiräume gestalten, und lokale Vertreter der Politik, die den Dreiklang Arbeit – Wohnen – Freizeit aktiv mitgestalten“. Patrice Heine ist optimistisch, dass dies glücken kann: „Am Ende geht es darum, das Leben mit all seinen dynamischen Prozessen anzunehmen. Wer könnte das besser als die Menschen hier vor Ort, die schon einmal einen schwierigen Anpassungsprozess erfolgreich gemeistert haben?“, fragt der CPG Geschäftsführer und sieht dabei sehr zuversichtlich aus.

Armin Schenk – Oberbürgermeister der Stadt Bitterfeld-Wolfen
„Was ich tue macht mir so viel Spaß, dass ich nur Freude empfinde. Ich habe noch nicht eine Minute bereut, dieses Amt übernommen zu haben.“
Nein, dies ist keine Floskel. Armin Schenk, der Oberbürgermeister von Bitterfeld-Wolfen meint das wirklich so. Seit 6. März 2017 sitzt er hinter dem Schreibtisch im großen Raum des Wolfener Rathauses und lenkt die Geschicke der Doppelstadt, mit einer gesunden Portion Optimismus, Lebensfreude und Tatendrang.
Dabei scheint die Last der Aufgaben fast erdrückend. Da ist das Image der Doppelstadt, das er ins Positive wenden möchte: „Wir müssen als das wahr genommen werden, was wir tatsächlich sind, eine grüne Industriestadt am See“. Da ist ein 60 Millionen Euro Schuldenrucksack, den die Stadt trotz aller Sparbemühungen mit sich herum trägt und nicht zuletzt sind da zu viele leer stehende Häuser und Ruinen, die das Stadtbild prägen.
Am liebsten würde er alles auf einmal ändern. “Ich bin mitunter etwas ungeduldig, will mehr als geht“ sagt der gebürtige Wolfener, der seit 1989 im benachbarten Thalheim wohnt.
Sein Lebensweg ist mit der Chemieregion untrennbar verbunden. Nach Abitur und Armeezeit beginnt Armin Schenk in der Filmfabrik eine Lehre als Elektromonteur. „Aber mir war klar, dies ist nicht das Leben, das ich führen will.“ Es zieht ihn zurück auf die Schulbank. An der Technischen Hochschule Leipzig studiert er Elektrotechnik, kehrt als junger Diplomingenieur zurück in die Filmfabrik. Doch die zerfällt mit der Wende.
Prägend werden dann die 16 Jahre bei der Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft (EWG). Zunächst als Mitarbeiter und Prokurist, ab 2006 als Geschäftsführer. In diese Zeit fallen u.a. die Ansiedlung von Bayer Bitterfeld, die Erschließung Thalheims. „Wenn ich am Guardian Flachglaswerk oder am gegenüber liegenden Folienwerk vorbei fahre und daran denke, wie wir damals das gesamte Areal erschlossen haben, macht mich das schon ein wenig stolz.“ Auch der Bitterfelder Bogen trägt ein Stück weit die Handschrift des heute 57-jährigen, der auch gelernt hat, mit Misserfolgen umzugehen. „Ich sage mir immer, wenn man alles getan hat und der gewünschte Erfolg stellt sich trotzdem nicht ein, dann darf man kurze Zeit traurig sein, sollte sich jedoch nicht grämen.“
Nach vorne schauen, der ehrliche Umgang mit sich selbst und dem Gegenüber, das hat auch seine politische Karriere geprägt. Seit 1998 ist er Mitglied in der CDU, war zunächst Gemeinderat in Thalheim, später Stadtrat schließlich Vorsitzender des Gremiums.
Nun ist er Rathauschef. Mit wenig Zeit und vielen Terminen. Wenn dann doch mal eine Lücke im Kalender ist, zieht es den Vater von zwei erwachsenen Kindern zusammen mit Ehefrau Ines in die Natur. Oder er setzt sich auf sein Motorrad. Dann sorgt der Fahrtwind dafür, dass der Kopf wieder frei wird für die täglichen Herausforderungen.
Vorherige Portraits:


Dr. Christian Schleicher – Geschäftsführer der Bayer Bitterfeld GmbH
Ich bin stolz darauf, dass wir als Bayer Bitterfeld eine Leuchtturmfunktion für die Entwicklung hier in der Chemieregion übernommen haben und uns viele Unternehmen gefolgt sind.“
Seit fast 10 Jahren ist Dr. Christian Schleicher Geschäftsführer bei Bayer Bitterfeld. Auch wenn er den Aufbau des Werkes nicht unmittelbar miterlebt hat, so kennt er doch die einzigartige Entwicklung des Bayer-Standortes. „Für mich ist es eine Ehre hier in Bitterfeld zu arbeiten, da dieser einer der strategischen Standorte im Bayer Verbund ist.“
Die Geschichte beginnt 1991. Der Vorstand der Bayer AG beschließt die Ansiedlung in Bitterfeld, ein Jahr später erfolgt die Grundsteinlegung für die Bayer Bitterfeld GmbH. 1994 wird im Beisein von Bundeskanzler Helmut Kohl das erste Werk eröffnet, ein Jahr darauf werden in Bitterfeld die ersten Aspirin Tabletten produziert.
„Hier ist eines der modernsten Werke Europas gebaut worden, daran hat sich dank zahlreicher Investitionen bis heute nichts geändert.“ Vier einzelne Werke sind damals auf dem mehr als 50 Hektar großen Gelände entstanden. Durch Umstrukturierungen und Verkäufe wurden im Laufe der Jahre drei ausgegliedert, blieben jedoch am Standort und haben stark investiert. Bayer konzentrierte sich auf pharmazeutische und Life Science Produkte, produziert in Bitterfeld u.a. Aspirin und Xarelto.
„Unser Traum war es, drei Milliarden Tabletten pro Jahr zu produzieren, inzwischen sind es drei Mal so viele“, freut sich Christian Schleicher über die positive Entwicklung. Das größte Pfund seien dabei die extrem guten Mitarbeiter. „Das ist einer der größten Standortvorteile, dass die Mitarbeiter gut ausgebildet und qualifiziert sind.“ Mehr als 400 Männer und Frauen laufen täglich, das riesige Bayer Schild vor Augen, durch die Werkstore. Ihre Tabletten helfen Menschen in mehr als 60 Ländern.
Die Internationalität des Unternehmens wird auch durch Christian Schleicher repräsentiert. Als Kind deutscher Eltern wuchs er in Argentinien auf, ging dort auf eine deutsche Schule.
Er studiert Pharmazie und Biochemie, promoviert erfolgreich, arbeitet zunächst bei Schering in Argentinien. „Ich wollte jedoch immer nach Deutschland ziehen.“ Doch zunächst geht er als Standortleiter nach Indonesien. Schering wird 2006 von Bayer übernommen, und der Südamerikaner wird Standortleiter in Brasilien. Als dann vor knapp 10 Jahren die Anfrage aus Deutschland kam, den Standort in Bitterfeld als Geschäftsführer zu übernehmen, muss der zweifache Familienvater nicht lange überlegen. „Ich war von Anfang an verliebt in die Region, habe hier unheimlich viel gelernt.“
Für den 51-Jährigen ist die Entwicklung des Chemieparks eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Das habe natürlich mit der 125jährigen Chemietradition, mit der Verbundenheit der Menschen mit der Chemie zu tun, aber auch mit der Infrastruktur und einer sehr offenen Art der Kommunikation. „Hier arbeiten Firmen, der Chemiepark und auch die Politik zusammen mit dem Ziel, die Region weiter voranzubringen. Das ist fast eine Art Familie und aus meiner Sicht etwas ganz einzigartiges.“
Privat lebt Christian Schleicher mit seiner Familie in Leipzig. Für ihn kein Widerspruch. „Man kann natürlich auch wunderbar hier leben, doch ich bin in einer Großstadt aufgewachsen, ich brauche das quirlige Leben.“ Aber auch das sei ein Vorteil dieses Chemiestandortes. Wer möchte, kann in ländlicher Region leben, in einer kleineren Stadt, aber eben auch in Großstädten wie Halle oder Leipzig. Es stünden alle Möglichkeiten offen. Christian Schleicher nutzt sie. Wenn er Ruhe und Abgeschiedenheit sucht, dann setzt er sich in sein Kajak, das er in Friedersdorf untergestellt hat und fährt auf den Muldestausee oder zur Goitzsche. „Das ist mein Ruhepol, ich kann mich treiben lassen und Kraft tanken.“ Im heimischen Leipzig hat der Wassersportler ein zweites Kajak, für zwei Personen.
Geht es nach ihm, bleibt Christian Schleicher noch viele Jahre in Bitterfeld.
Seinen Ruhestand jedoch möchte er gern in Argentinien verbringen. Hier seien noch immer viele Freunde und große Teile der Familie. Und das Wetter ist etwas schöner, fügt er lachend hinzu.

Ingrid Weinhold – geschäftsführende Gesellschafterin MABA Spezialmaschinen GmbH
„Die Bodenständigkeit ist das, was ich an Bitterfeld-Wolfen, an den Menschen hier schätze. Sie arbeiten nicht nur, sie engagieren sich für ihre Firma. Das prägt die Region. Genauso wie das Wir-Gefühl, der lebendige Gemeinschaftssinn.“
Die Urkunde im Flur vor ihrem Büro fällt kaum auf unter den vielen anderen Auszeichnungen. Am 5. Dezember 2016 hat Ingrid Weinhold im Schloss Bellevue das Bundesverdienstkreuz vom Bundespräsidenten Joachim Gauck überreicht bekommen. „Darauf bin ich sehr stolz“, sagt die 60-Jährige, will diese Auszeichnung auch als Würdigung ihres Lebenswerks verstanden wissen.
Erhalten hat sie den Orden für ihr ehrenamtliches Engagement. Für ihre Arbeit etwa als Vizepräsidentin der IHK Halle-Dessau, im Hauptvorstand des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), als Beraterin für Unternehmensgründerinnen und ehrenamtliche Richterin am Finanzgericht Sachsen-Anhalt. Ingrid Weinhold nimmt das als Anerkennung dafür, dass „ich mich immer engagiere, lieber Hand anlege, statt abzuwarten, niemals nur das eigene Fortkommen im Sinn und auch in schweren Zeiten nicht aufgegeben habe“. „Bodenständigkeit“ treibt Ingrid Weinhold an. Das hat sie von den Eltern, einfachen Leuten. Die Mutter Schneiderin, der Vater Meister für Landtechnik, erziehen ihre Tochter christlich. Gerechtigkeit, Fleiß und Arbeit sind die Werte, die zählen. Sich über andere zu erheben, weil man mehr weiß oder eine höhere Stellung in der Gesellschaft hat, ist für die Unternehmerin ein Unding. Wer hart arbeitet, egal wo und was, verdient Anerkennung.
Sie lernt einen kaufmännischen Beruf und arbeitet in der Filmfabrik Wolfen. Das reicht ihr nicht, sie studiert in Magdeburg Betriebswirtschaft und Verfahrenstechnik, kommt zurück in das Fachdirektorat Technik der Filmfabrik. 2.500 Beschäftigte versuchen hier, so gut das möglich ist, die Arbeit in Gang zu halten. Ingrid Weinhold, die ihre Ingenieurarbeit zur „planmäßigen vorbeugenden Instandhaltung“ geschrieben hat, hat mehr als nur eine Ahnung, was nach 1989/90 auf den Betrieb zukommt.
In den meisten der neun Abteilungen der Hauptabteilung Instandhaltung nimmt die Privatisierung schnell Fahrt auf, in der Zentralwerkstatt wird gezögert. „Hier war so viel Wissen vorhanden, so großes Know-how. Wir fertigten ein sehr breites Sortiment an Ersatzteilen, betreuten eine ganze Reihe von Betrieben in der ganzen Republik hinsichtlich Neufertigung und Reparaturen“, erzählt die Unternehmerin.
Obwohl arbeitslos, nimmt sie die Dinge in die Hand. Sie schreibt Konzepte, reist umher auf der Suche nach Aufträgen, bittet um Anzahlungen, findet Gleichgesinnte, stellt sich bei Banken vor, redet immer wieder mit der Treuhand. Noch heute ist sie erbost, wenn sie an hochnäsige Treuhand-manager denkt, die den Einheimischen nichts zutrauten. Und sie setzt sich durch, gründet mit vier Mitgesellschaftern die MABA, nimmt 1,2 Millionen D-Mark Kredite auf, bringt die Firma ins Rollen. Ihr Mann, der schon im Westen arbeitet, kommt zurück, unterstützt sie.
Einer der ersten Aufträge nach der Grundsteinlegung von Bayer in Bitterfeld war das Setzen von Steinankern, erinnert sich Ingrid Weinhold. Treppen und Geländerteile folgten, dann Anlagentechnik und bis heute wurden die Arbeiten immer anspruchsvoller und haben einen qualitativ hochwertigen Status erreicht. Die zum Höhepunkt der MABA gut 60 Mitarbeiter konstruierten und fertigten Sondermaschinen für die Pharma- und Chemieindustrie, Glasindustrie, Folienindustrie, Solarindustrie usw., alles Einzelteile und Baugruppen. Erst die Insolvenz vom Großkunden Q-Cells stoppt den Höhenflug. Einen Großteil der Mitarbeiter muss Ingrid Weinhold entlassen. „Das war grauenvoll.“ Die Alternative? Die Firma komplett schließen, auch den restlichen Beschäftigten Lohn und Brot nehmen. „Ich habe dagegen gekämpft wie gegen eine Krebserkrankung.“ Heute ist die MABA wieder in der Spur, hat auf 30 Mitarbeiter aufge-stockt. Der guten Arbeit, den langjährigen Kunden sei Dank. Und so langsam beginnt Ingrid Weinhold, über den Ruhestand nachzudenken. „Ich bereite das vor. Und wenn sich etwas ergibt, wenn die Perspektive für die Firma und die Mitarbeiter stimmt, bin ich bereit, den Staffelstab zu übergeben.“

Dr. Stefan Müller – Geschäftsführer Miltitz Aromatics GmbH
„Die Ansiedlung im Chemiepark hat einen großen Vorteil für uns, da vieles auf die Besonderheiten
der chemischen Industrie fokussiert ist, seien es die Behörden, die Bevölkerung oder
die Ver- und Entsorgung.“
Grünpflanzen und Chemie? Wie passt das zusammen? „Sehr gut“, sagt Dr. Stefan Müller. Seit 2013 ist er der Kopf der Miltitz Aromatics GmbH und führt das Unternehmen mit 45 Mitarbeitern und derzeit acht Auszubildenden in zweiter Generation. Das Firmengebäude in der Riechstoffstraße im Chemiepark-Areal B ist mit dem jungen Chef an der Spitze zu einer grünen Oase geworden. „Mir ist Ästhetik sehr wichtig, deshalb habe ich viele Grünpflanzen im Haus und im Außenbereich aufstellen und pflanzen lassen. So sieht es nicht nur repräsentativer aus, es ist auch lebendiger“, freut sich der 40-jährige Unternehmer, in dessen Büro ein fast vier Meter hoher Ficus Eindruck macht. Mit Pflanzen verbinde er viel Positives: sie blühen, sie duften gut, sie verändern sich. „Für ein Unternehmen, das Riech- und Aromastoffe herstellt, ein gutes Sinnbild“, sagt der promovierte Jurist, dessen berufliche Karriere zunächst in einer ganz anderen Branche begann, bevor er in die Fußstapfen seines Vaters trat und den Chemiebetrieb übernahm.
Sehr wahrscheinlich steckt in vielen Parfüms auch ein Tröpfchen „Bitterfeld-Wolfen“. Zwar sind die hochkonzentrierten Duft- und Aromastoffe aus den Anlagen der Miltitz Aromatics zunächst für viele wenig anziehend. Erst wenn sie bei den Kunden des Unternehmens beispielsweise zu Parfüms werden, schmeicheln sie der Nase. Aus mehr als 30 Ländern weltweit beziehen die Kunden Komponenten „made in Bitterfeld-Wolfen“.„Natürliche Riechstoffe für den weltweiten Bedarf herzustellen ist aufwendig und nicht zwingend nachhaltiger als die Synthese. Aufbauend auf dem mehr als 100-jährigen chemischen Wissen, maßgeblich getrieben auch von mitteldeutschen Wissenschaftlern, gelingt es nicht nur naturidentische Düfte herzustellen, sondern auch gänzliche neue Noten zu erschaffen“, erklärt der gebürtige Hallenser. Heute verkauft sein Unternehmen mehr als 50 verschiedene Stoffe, die bei Parfümherstellern und Waschmittelproduzenten ebenso gefragt sind wie in der Lebensmittelindustrie. Mehrere Patente kommen inzwischen aus dem Hause Miltitz Aromatics. Nicht zuletzt deshalb, weil großer Wert auf Forschung gelegt wird. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, arbeitet gut ein Fünftel der Belegschaft im Bereich
Forschung und Entwicklung. Durch die enge Kooperation der Forscher mit Universitäten und Forschungseinrichtungen entstehen immer neue, am Kunden orientierte Innovationen.Mit der Produktion von Düften und Aromen setzt das Unternehmen eine alte mitteldeutsche Tradition fort: Einerseits beheimatete die AGFA eine Riechstofffabrik in Wolfen und andererseits produzierte die seit 1829 bestehende Firma Schimmel in Miltitz bei Leipzig Düfte und Aromen. Zu DDR-Zeiten enteignet und in einem Kombinat aufgegangen, kam für die Miltitzer zur Wende fast das Aus. Doch Dr. Peter Müller, Vater von Stefan Müller, hatte die richtige Nase: Mit seinen Kollegen aus gemeinsamen „Miltitzer“ Tagen, insbesondere Dr. Jürgen Braband und einer helfenden Hand aus Schwäbisch Gmünd, Heinz Grau, machten sie sich selbstständig und zogen nach Bitterfeld, wo es eine passende Fabrik und genügend Fachleute der Chemiebranche gab. Hier fand der Chemieproduzent vor allem gute infrastrukturelle Bedingungen vor.
Neben einem funktionierenden Stoffverbund sind dem jungen Geschäftsführer auch gut ausgebildete und zufriedene Mitarbeiter sehr wichtig. „Hier in der Region gibt es einen großen Bedarf an gut ausgebildeten Fachleuten. Durch die Vielzahl der ansässigen Chemiefirmen steht man im ständigen Wettbewerb“, sagt der Vater von bald drei Söhnen. Um mitzuhalten setzt er auf die eigene Ausbildung im Unternehmen. Jedes Jahr beginnen mindestens zwei neue „Azubis“ ihre Lehre etwa als Chemikanten oder Chemielaboranten.Beim Blick in die Zukunft ist der Geschäftsmann optimistisch: Der Markt bietet Potenzial für ein gutes Wachstum. Gerade wird die Mitteldruckhydrierung durch Steigerung der Energieeffizienz optimiert; die Gesamtinvestition beträgt dabei mehr als 1,5 Mio. EUR. Große Hoffnung setzt der Unternehmer in verschiedene Zukunftsthemen wie grüne Chemie, Bioökonomie und Digitalisierung.
Und welche Pflanze kommt als nächstes? „Vielleicht ein Lindenbaum, weil ich den Duft der Blüten liebe und er traditionell das Kommunikationszentrum einer Gemeinschaft ist!“

Birgit Reinohs einer Assistentin der Geschäftsführung Chemiepark Bitterfeld-Wolfen GmbH
„Sie müssen immer wissen, wie ihr Chef tickt.“
Was ist eigentlich die wichtigste Voraussetzung für den Beruf einer Assistentin der Geschäftsführung? Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten. „Empathie“, sagt Birgit Reinohs, „ist unerlässlich“. Sie muss es wissen. Seit 19 Jahren ist die gepflegte Blondine im Vorzimmer der obersten Entscheidungsinstanz im Chemiepark zuhause, hat Vorgesetzte kommen und gehen sehen und sich auf jeden einzelnen neu eingelassen. „Nur so funktioniert‘s“, gibt sie lächelnd zu Protokoll, „Sie müssen sich auf den Chef einstellen, nicht umgekehrt“.
Dass Birgit Reinohs damit keine Probleme hat, glaubt man ihr aufs Wort. Die blauen Augen blitzen im Gespräch immer wieder auf, sie strahlen eine charmante Freundlichkeit aus und lassen doch keinen Zweifel daran, dass diese Frau auch hartnäckig sein kann und über eine gehörige Portion Durchsetzungsvermögen verfügt. Mit Zuverlässigkeit und Organisationstalent Termine koordinieren, immer den Überblick behalten und sich nicht aus der Ruhe bringen lassen: All das hat sie ihr ganzes Berufsleben perfektioniert. Sie hat die erfolgreiche Zweitprivatisierung erlebt und unter wechselnden Geschäftsführern gearbeitet. Sie erinnert sich noch gut an den hemdsärmeligen Self-made-man Jürgen Preiss-Daimler: „Geht nicht, gibt’s nicht“, lautete sein Slogan. Birgit Reinohs hat ihn ebenso zu nehmen gewusst wie den ruhigeren Michael Polk. „Er ist zurückhaltender, aber weiß genau, was er will“. Dass mit Patrice Heine junges Blut in die Chefetage Einzug gehalten, der oft als Naturfreund einen anderen Blickwinkel hat, findet sie gut. „Es hat immer funktioniert – mit jedem auf eigene Weise“, sagt Birgit Reinohs – wohl nicht zuletzt dank der ihr eigenen Empathie-Fähigkeit. „Sie müssen immer wissen, wie ihr Chef tickt“, unterstreicht sie. Dass sei die wichtigste Handlungs- und Entscheidungsmaxime. Zu ihren ehemaligen Vorgesetzten hat sie noch immer ab und an Kontakt, sei es an den Geburtstagen oder einfach nur, um mal kurz hallo zu sagen.
Zum Ende des Jahres wird das freundliche Organisationstalent in den Ruhestand gehen. „Mein Mann wartet schon sehnsüchtig darauf“, gesteht sie schmunzelnd. Sie selbst geht – ganz klassisch – „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“. Ihren Job, den sie liebt, und die Kollegen, die ihr in all den Jahren teilweise ans Herz gewachsen sind, werde sie schon vermissen, andererseits warten schon eine Reihe andere Aufgaben und Menschen auf sie. Neben dem Ehemann auch die Enkelkinder, die gern ihre Ferien bei Oma und Opa verbringen. Außerdem soll das eigene Häuschen endlich einer Renovierungskur unterzogen werden, und Reisepläne haben die Reinohs auch. Voraussetzung ist natürlich immer, gesund zu bleiben. Zusammen mit ihrem Mann tüftelt die künftige Ruheständlerin derzeit eine Route aus für eine Fahrt mit dem Wohnwagen Richtung Mittelmeer, studiert Landkarten und durchforstet das Internet nach Reiseberichten. Über Slowenien, Kroatien, Montenegro, Mazedonien und Griechenland soll es an die Türkische Riviera und von dort mit einem Abstecher nach Kappadokien weiter ans Schwarze Meer und über den Bosporus wieder zurück Richtung Heimat gehen. Die genaue Dauer der Reise steht noch nicht fest. Der Termin für die Rückkehr indes schon. „In den Sommerferien müssen wir wieder da sein, denn dann kommen die Enkelkinder“.
Gereist ist Birgit Reinohs immer schon gern. Früher nicht mit dem Wohnwagen, sondern mit dem Zelt und einem Faltboot. „Mir gefällt das Unabhängige bei dieser Art des Reisens“, sagt sie und erinnert sich gern an Paddeltouren in Mecklenburg-Vorpommern. Wasserwandern sei herrlich und ungemein entspannend. Unabhängig bleibt sie mit dem Wohnwagen immer noch, es sei allerdings ein bisschen bequemer.Bis es losgeht, bleibt allerdings noch einiges zu tun. Birgit Reinohs wird nicht allein ihre Nachfolgerin einarbeiten, sie ist auch aktiv in den Auswahlprozess einbezogen. Neben einem sympathischen und ansprechenden Erscheinungsbild, sei für sie vor allem Erfahrung in der Büroführung und Assistenz wichtig sowie ganz praktische Dinge wie die Beherrschung von Steno – fürs Protokollieren. „Das kann heute kaum noch jemand.“ Und die „Chemie“ muss natürlich auch stimmen. Darüber hinaus hat sie sich bereits daran gemacht, das Archiv auf den neuesten Stand zu bringen, hat Akten durchforstet, zusammengeführt, überflüssige Papiere vernichtet, eine Historie angelegt. Sie ist zuversichtlich, dass die Zeit bis zu ihrem Ausscheiden am 30. November reicht, diese Arbeit zu Ende zu bringen. Geordnete Verhältnisse wird sie in jedem Fall hinterlassen – und eine Lücke, die nicht ganz leicht zu schließen sein dürfte.

Karsten König – Geschäftsführer Eurecat Deutschland GmbH Bitterfeld-Wolfen
„Die Region hat alles, was man braucht: Einen hohen Freizeitwert, viel Natur
und jede Menge Möglichkeiten, sich in der Arbeit zu verwirklichen.“
Frühjahr 2018 hat nach über einem Jahr Bauzeit und der Investition von vier Millio¬nen Euro ihr Testbetrieb im Werk von Eurecat in Bitterfeld-Wolfen begonnen. „Mit unserer neuen Anlage sparen wir unseren Kunden Aufwand und Kosten“, sagt Karsten König. In ihr werden sulfidierte Katalysator-Teilchen mit einer hauchdünnen haltbaren Schicht überzogen.
Sulfidierte Katalysatoren neigen zur Selbstentzündung. Obwohl passiviert, müssen sie als Gefahrgut ausgewiesen und transportiert werden. Auch die Beschickung von Raffineriereaktoren ist aufwändig: Sie wird unter einer Stickstoff-Beschleierung von Beschäftigten in Vollschutz ausgeführt. „Die Schutzschicht spart den Kunden viel Aufwand und Kosten, sie löst sich im Reaktor auf und wird mit dem ersten Produktstrom ausgetragen“, erläutert der Chef die Vorzüge der „Weltneuheit“.
Rund 100 verschiedene Katalysator-Produkte veredelt das Werk mit etwa 50 Mitarbeitern. So etwa für die Petrochemie, wo sie im Cracker wirken oder den Schwefel aus dem Kraftstoff lösen. Zudem gehen ma߬geschneiderte Kats in Bioraffinerien und die Erdgasförderung, um Gase etwa zu entfeuchten oder von Quecksilber zu entgiften. Überdies können in der Bitterfelder Fabrik jährlich 2.500 Tonnen gebrauchter Katalysatoren aufgearbeitet werden. Die Eurecat-Gruppe mit weltweit 460 Mitarbeitern ist in ihrem Bereich Weltmarktführer, besitzt neben Bitterfeld weitere Werke in Frankreich, Italien, den USA, Saudi-Arabien und Indien. „So können wir alle Wachstumsmärkte vor Ort bedienen und den Kunden auch große Mengen aus einer Hand und mit dem gleichen hohen Qualitätsstandard liefern“, sagt Karsten König, mittlerweile seit 19 Jahren im Unternehmen, seit 2007 Geschäftsführer.
Der gebürtige Dessauer hat es nie bereut, zurück in die Region gekommen zu sein. Die Anzeige, dass ein kaufmännischer Leiter beim Vorläufer-Unternehmen Tricat gesucht wird, hat er 1999 im Heimaturlaub gelesen. „Das wäre etwas, habe ich mir gesagt, als ich die Bewerbung abschickte.“ Nach einigen Jahren in der Fremde war die Sehnsucht nach der Heimat übermächtig geworden, auch der Wunsch, der Familie näher zu sein.
Karsten König war Ende der 1980er in die Welt aufgebrochen: Zu-nächst zum Betriebswirtschaftsstudium nach Greifswald, das er nach dem Vordiplom in Osnabrück abschloss. Ein zweijähriges Masterstudium in den USA folgte, anschließend ein Arbeitsjahr bei der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer in Atlanta. Schließlich wechselte er zu einer Reederei in Bremen, arbeitete dort in der Containerlogistik. 1999 kam Karsten König zum Eurecat-Vorgänger Tricat nach Bitterfeld. „Mit meinen Erfahrungen in den Vereinigten Staaten, der Kenntnis der Sprache und der US-Unternehmenskultur passte das prima.“ Es passte auch insofern, weil sich die Region nun langsam vom Wendeschock erholte: „Der extrem belastende Schrumpfungsprozess kam zu einem Ende, es ging sichtbar wieder bergauf.“ Eine Wohltat für die, die hiergeblieben sind. „Die Mentalität hier ist der in Dessau sehr ähnlich, die Leute sind bodenständig, fleißig und arbeitsam“, weiß Karsten König, verheiratet und Vater einer Tochter. Es gebe ganz allgemein eine positive Grundhaltung zur Industrie, die Chemie werde nicht als Teufelszeug verdammt. Arbeitslärm und rauchende – heute eher dampfende – Schornsteine gehören einfach zum Leben dazu. „Das gilt auch für die Generation, die nun nach und nach das Steuer übernimmt“, sagt Karsten König.
Der Erfolg von Eurecat Bitterfeld hat viel mit der Region zu tun. Ob das die eigenen Mitarbeiter sind, die Dienst- und Beratungsleistungen, die so weit als möglich vor Ort eingekauft werden. Gute Beziehungen bestehen auch zu den Genehmigungsbehörden. „Natürlich, die Verfahren sind nie konfliktfrei, doch geprägt von gegenseitigem Verständnis.“ Das sei nicht überall in Deutschland so. Fehlt ihm etwas? Karsten König schwärmt auch von den Wasserlandschaften, die hier entstanden sind, von Elbe und Muldeauen, der vielfältigen Natur, den kurzen Wegen Richtung Berlin oder Leipzig. „Die Region hat alles, was man braucht. Einen hohen Freizeitwert, viel Natur und jede Menge Möglichkeiten, sich in der Arbeit zu verwirklichen.“

Uwe Gruschke – Technischer Leiter GMB Deutsche Magnetwerke GmbH
„Magnete haben etwas Anziehendes, vielleicht bin ich deshalb mehr als 40 Jahre
lang hier am Chemiestandort Bitterfeld- Wolfen geblieben.“
Uwe Gruschke hat in seinen mehr als 40 Berufsjahren so viele Höhen und Tiefen durchlebt wie kaum jemand anders.Abzusehen war das nicht, als er nach dem erfolgreichen Abitur in Bitterfeld in der Elektrowerkstatt im Kraftwerk Süd des Chemiekombinates als Werkstatthelfer begann, als Überbrückung bis zur Armeezeit.Nach anderthalb Jahren bei der NVA kehrt er zurück, um abermals als Helfer in der Werkstatt die Monate bis zum Studium sinnvoll zu nutzen.Das viereinhalbjährige Studium der Elektrotechnik in Ilmenau beendet er mit dem Diplom in der Hand. Wieder lockte die Heimat. In der Forschungsabteilung des Bitterfelder Chemiekombinates sammelt er erste berufliche Erfahrungen. Er beschäftigt sich vor allem mit der Verwertung von Entfall-Salzsäure.
Mit der Wende beginnen auch für Uwe Gruschke, wie für viele seiner Kollegen, berufliche Turbulenzen. Die sind geprägt von Kurzarbeit, neuen Eigentumsverhältnissen und beruflichen Herausforderungen als Laborleiter der Magnetfabrik. Dann, 1995, die Kündigung. „Wie es der Zufall wollte, fand sich dann doch ein Investor für die Magnetfabrik, so dass wir unter neuer Flagge weitermachen konnten.“ Abenteuerliche Zeiten seien das damals gewesen, erinnert sich der heute 59-Jährige, dem die technische Leitung und das Qualitätsmanagement der Firma übertragen wird. Denn mit dem neuen Besitzer, der Deutschen Techna aus Hagen, gehen Investitionen einher, die bei laufender Produktion erfolgen. Doch die Geschäfte mit den Magneten liefen nicht so wie erhofft, erst mit einem Wechsel in der Geschäftsführung ist wieder Licht am geschäftlichen Himmel zu sehen. Vor allem die Automobilindustrie wird zu einem wichtigen Kunden der GMB. „Wir haben damals beispielweise kleine Stabmagnete geliefert, in Millionen Stückzahlen.“ Doch der zunehmende Preiskampf auf dem Magnetmarkt macht den Bitterfelder Magnetwerkern immer mehr zu schaffen. 2008 dann ein erneuter Eigentümerwechsel, die Deutsche Techna zieht sich zurück und der amtierende Geschäftsführer sowie Teile der Belegschaft übernehmen die Firma, darunter auch Uwe Gruschke.
Im Herbst 2012 muss die Firma Insolvenz anmelden. Es folgen Entlassungen, die Produktion geht indes weiter. Obwohl das Schiff bedrohlich wankt, bleibt Uwe Gruschke an Bord, übernimmt Verantwortung, hält den Kontakt zu Kunden und Lieferanten. „In der gut dreijährigen Insolvenzphase haben fast alle Kunden zu uns gehalten. Wir konnten sogar neue dazuge-winnen.“ Inzwischen ist das Fahrwasser wieder ruhiger, Uwe Gruschke ist nicht nur Technischer Leiter, sondern auch für das mittlerweile etablierte Handelsgeschäft und die Magnetsystemfertigung zuständig. Mitunter packt er auch in der Gießerei mit an. „Für mich ist das Glas immer halb voll und nicht halb leer.“ Eine Maxime, die ihm die Freude an der Arbeit erhalten hat. Weggehen aus der Chemieregion war nie eine Option für ihn.
Fast täglich fährt er mit dem Fahrrad in die Chlorstraße, dem Sitz der GMB: „Die soziale Komponente hier ist unschlagbar. Das Umfeld stimmt. Die Leute passen zusammen.“ Acht Mitarbeiter gehören derzeit zum Team, einige davon gestandene Magnetwerker, so wie Uwe Gruschke. Neben den beruflichen suchte er stets auch sportliche Herausforderungen. Die fand der Vater von zwei erwachsenen Kindern als leidenschaftlicher Volleyballer. Seit Studententagen schmettert er die Bälle über das Netz, war mehrere Jahre Vizepräsident beim inzwischen sehr erfolgreich in der zweiten Bundesliga spielenden VC Bitterfeld-Wolfen. In der Ü59-Hobbymannschaft hat er auch selber noch den Lederball in der Hand. „Da bin ich das Küken“, sagt der 59-Jährige lachend. Vor wenigen Wochen wurdes ein Team Nordostdeutscher Regionalmeister und hat sich damit für die deutsche Volleyballmeisterschaft qualifiziert. Zweimal pro Woche trainiert der Greppiner. Da bleibt wenig Zeit für andere Hobbys. Schließlich muss er sich auch noch um Haus, Hof, Ehefrau und manchmal auch die Enkel kümmern. Einmal im Jahr tauscht er die Sportschuhe mit den Wanderschuhen. Dann zieht er mit seiner ehemaligen Studententruppe in die Berge zum Wandern und Erinnerungen austauschen.

Dr. Helge Toufar – Standortleiter Clariant Produkte (Deutschland) GmbH
„Kompetenz und Arbeitswille sind die Grundlagen, um beruflich erfolgreich zu sein. Aber es gehört auch eine Portion Glück dazu.“
Helge Toufar hat in seinem beruflichen Leben all dies vereint. Seit Januar 2015 ist er Standortleiter von Clariant im Areal B des Chemieparks. Clariant setzt eine Tradition fort, deren Grundstein in 1966 gelegt wurde. Damals startete am fast gleichen Standort die erste kommerzielle Zeolith-Produktion Deutschlands in der damaligen Farbenfabrik, die 1969 Teil des Chemiekombinates wurde. Heute steht in der Tricat-Straße eine hochmoderne Anlage zur Herstellung von Spezialzeolithen, die unter anderem in Katalysatoren für Raffinerien und in der Abgasreinigung für Dieselmotoren Anwendung finden. „In vielen der größeren Dieselautos weltweit sind unsere Zeolithe enthalten, sorgen für die entsprechende Abgasreinigung“, sagt Helge Toufar. Zeolithe ‚made in Bitterfeld‘ sind überall auf der Welt gefragt, die Exportquote liegt bei mehr als 90 Prozent.
Helge Toufars Weg in die Chemie war vorgezeichnet, schon sein Vater war Chemiker. „Mitunter hat mein Vater Chemikalien mit nach Hause gebracht und damit den Keim für mein Interesse an der Chemie gesetzt.“ Der Keim treibt erste Früchte als der gebürtige Dessauer in einer Spezialklasse für Chemie sein Abitur ablegt. Es folgt der Wehrdienst, dann das Chemiestudium an der TH Merseburg. „Wir sind insofern eine sehr glückliche Generation, denn wir haben in der DDR eine sehr solide Ausbildung bekommen.“ Der Wissensdrang von Helge Toufar ist auch nach dem Studium unge-brochen. Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft und promoviert 1992 zum Thema „Zeolithe“. „Doch die Zeiten für Chemiker waren Anfang der 1990er-Jahre schwer, viele Chemiebetriebe waren zusammengebrochen.“
„Belgien ist ein bisschen eine Mischung aus deutscher Quantität und französischer Qualität, es gibt sehr gutes Essen, gutes Bier.“ Helge Toufar kommt zurück und widmet sich an der Martin-Luther-Universität Halle weiter der wissenschaftlichen Arbeit, festigt damit seinen Ruf als Zeolith-Experte. Doch dann stellt sich für ihn die Frage, welche Karriereleiter er weiter erklimmen möchte: die akademische oder die chemisch-praktische. „Ich musste mir jedoch eingestehen, dass die Praxis mir mehr liegt, als Publikationen zu schreiben.“
Und so wird er der Mann der ersten Stunde, als amerikanische Inves-toren Mitte der 1990er-Jahre im Chemiepark ein neues Zeolith-Werk aufbauen wollen. Als Chemiker ist er maßgeblich an den Planungen der Anlage und am Bau beteiligt, wird Forschungsdirektor dieser Anlage, die im Jahr 2000 in Betrieb geht. 2006 wird die Tricat Zeolites GmbH an die Süd-Chemie AG verkauft und Helge Toufar zum Leiter Technologie und Produktmanagement berufen.
2009 der nächste berufliche Einschnitt. Der Familienvater wird ins amerikanische Kentucky entsandt, als Forschungsleiter Katalyse in Nord-amerika. Aufregende Jahre sind das für ihn, seine Frau, seine Kinder. Denn in den USA geht es international zu, neun verschiedene Nationalitäten ge¬hören zu seinem 80-köpfigen Team. „In der Mittagspause haben wir oft Tischtennis gespielt, meist habe ich gewonnen, oder sie haben mich aus Respekt gewinnen lassen“, sagt der heute 54-Jährige lachend.Sechs Jahre bleibt die Familie in den USA, nutzt die freie Zeit, um Land und Leute kennenzulernen, bereist alle 50 Bundesstaaten. „Doch dann mussten wir entscheiden, ob wir in den USA bleiben und die Brücken nach Deutschland abbrechen.“ Sein Herz hing am Bitterfelder Standort, hinzu kam die Verantwortung für die Eltern. Und so zog die Familie 2014 zurück nach Leipzig.1993 bekommt er ein Stipendium von der Universität im belgischen Leuven, zieht mit seiner Frau und den zwei Töchtern um. Im Labor experimentiert er nur noch wenig, sitzt stattdessen viel am Schreibtisch. „Das war Computerchemie.“ Im persönlichen Rückblick waren die zweieinhalb Jahre in Belgien für ihn eine tolle Erfahrung.
Seit mehr als drei Jahren trägt Helge Toufar nun im Bitterfelder Clariant-Werk die Verantwortung für 55 Mitarbeiter. „Mein Grundansatz ist Vertrauen, jeder Mitarbeiter bekommt von mir dahingehend einen Vorschuss.“ Auch die Ausbildung junger Menschen liegt dem Zeolith-Fachmann am Herzen. Wie gut diese Ausbildung ist, zeigt die erst kürzlich verliehene Auszeichnung der IHK Halle-Dessau für das Unternehmen als „Top-Ausbildungsbetrieb“.

Andreas Schattenberg – Production Activity Coordinator Dow Deutschland Anlagengesellschaft mbH, Werk Bitterfeld
„Damals bedeutete die Umstellung auf amerikanische Verhältnisse schon eine große Veränderung.
Das war viel Neuland. Es galt, sich nicht nur mit einem neuen Produkt, sondern auch mit neuen Fertigungstechniken vertraut zu machen.“
Andreas Schattenberg ist Production Activity Coordinator bei Dow und damit derjenige, der den reibungslosen Ablauf der Produktion im größten Methylcellulose-Betrieb der Welt organisiert. Den englischen Berufstitel trägt er, seit die Dow Deutschland Anlagengesellschaft das Unternehmen von Bayer übernommen hat, seinen Job macht er indes schon viel länger. Er ist ein Mann der ersten Stunde. Denn schon bei der Grundsteinlegung für die Methylcellulose-Produktion im Herbst 1992 – damals noch unter der Ägide von Bayer – war Andreas Schattenberg mit von der Partie. „Zusammen mit einigen Handwerkern und Meistern gehörte ich damals zu den ersten, die eingestellt wurden“, erinnert er sich. Und das bevor überhaupt in Bitterfeld produziert wurde. Um präzise zu sein, müsste man sogar sagen: Andreas Schattenberg ist nicht nur ein Mann der ersten Stunde – er hat die Stunde Null miterlebt.
Der neue Job bedeutete jedoch, der Stadt und dem im Bau befindlichen Werk erst einmal den Rücken zuzukehren, um im Zweigwerk der Bayer AG im niedersächsischen Walsrode das Methylcellulose-Geschäft von Grund auf kennenzulernen. „Das war viel Neuland“, so Schattenberg. „Es galt, sich nicht nur mit einem neuen Produkt, sondern auch mit neuen Fertigungstechniken vertraut zu machen.“ Als im April 1994 der Startschuss für die Produktion in Bitterfeld fiel, waren Andreas Schattenberg und zahlreiche weitere Mitarbeiter bestens vorbereitet. Mit 40 Mitarbeitern machte sich die Belegschaft daran, die als Baustoff etwa für Putz- und Mörtelmischungen verwendete Methylcellulose in Sachsen-Anhalt herzustellen; die Konfektionierung erfolgte im Anschluss in Niedersachsen. Die Betriebe seien „wie miteinander verheiratet“ gewesen, lobt Schattenberg die gute und enge Zusammenarbeit. „Ich denke gern an diese Zeit zurück.“
Mehrere Betriebserweiterungen hat Andreas Schattenberg seither begleitet, die Mitarbeiterzahl hat sich in den vergangenen 24 Jahren mehr als verdoppelt. 90 Fachkräfte sind heute mit von der Partie, und alle haben mehr als genug zu tun. „Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir sehr gut ausgelastet sind“, sagt Andreas Schattenberg zufrieden. Der gelernte Chemikant ist stolz auf seine Mannschaft. Viele der Mitarbeiter wurden im Betrieb selbst ausgebildet. Auch wenn die Ausbildung nicht seine Hauptaufgabe ist, so hat sich Andreas Schattenberg diesem Betriebsbereich immer sehr engagiert gewidmet. „Das liegt mir am Herzen und es macht mir Spaß“, bekennt der 60-Jährige.
Das gut ausgebildete und eingespielte Team hat zuletzt 2007 einen großen Wandel erlebt, als das Unternehmen von der Dow Deutschland Anlagengesellschaft übernommen und Teil des großen amerikanischen Konzerns wurde. Heute sei ja die globalisierte Vernetzung nahezu eine Selbstverständlichkeit, sagt Andreas Schattenberg, „aber damals bedeutete die Umstellung auf amerikanische Verhältnisse schon eine große Veränderung.“ Allerdings sei es ein Wandel mit positiven Auswirkungen gewesen. Denn die Amerikaner sorgten letztlich dafür, dass die weltweit größte Anlage zur Produktion von Methylcellulose heute in Bitterfeld steht. Auch privat profitiert Andreas Schattenberg von den Angeboten einer international vernetzten Welt mit einem reichhaltigen Kulturangebot. „Ich höre gern Musik“, bekennt der (Groß-)Vater von drei Kindern und vier Enkeln, den einst die Liebe aus seiner Heimat im Südharz nach Bitterfeld gebracht hat. An Wochenenden besucht er mit seiner Frau gern Konzerte. Es dürfe auch mal Klassik sein oder eine Oper, am liebsten sind ihm aber Live-Auftritte von Rockgrößen wie den Rolling Stones oder Neil Young. Dafür reist er dann schon mal nach Hamburg oder Berlin – um dann gut gelaunt und beschwingt wieder in den Arbeitsalltag einzutauchen. „Ich komme immer gerne ins Werk“, unterstreicht Andreas Schattenberg. Das liege an den Mitarbeitern, einem guten Arbeitsklima und nicht zuletzt an der starken persönlichen Bindung an den Standort.“